WETTSTEIN#

Eine reizvolle Parkanlage im 2. Wiener Bezirk, die entlang des Donaukanals verläuft, erinnert an den berühmten Botaniker Richard Wettstein.

Einer der führenden Persönlichkeiten der österreichischen Wissenschaft, ein Gelehrter der Botanik von Weltruf hatte sich vor Wochen auf seinen Landsitz in Trins im Gschnitztal Tirol zurückgezogen um sich von seinem Leiden zu erholen. Zuerst hatte man eine Leberschwellung vermutet, bis man endlich feststellen musste, dass es sich um ein Magenleiden handelte. In der letzten Zeit verschlimmerten sich die Zirkulationsstörungen der Bauchorgane an denen er litt und zuletzt musste er das Bett hüten. Die Ärzte die ihn betreuten hatten wenig Hoffnung, da sich zuletzt bei dem Patienten eine hochgradige Körper- und Geistesschwäche bemerkbar machte. Auch nahm er kaum noch eine Nahrung zu sich. Zusehends verfiel der Kranke, die Agonie war eingetreten und gegen 3 Uhr nachmittags des 10. August 1931 wurde er von seinem Leiden erlöst

Wettstein,Der Tag 1931
Wettstein,Der Tag 1931
Ein Großer ist wieder abgetreten.

Am Kranken- und Sterbelager hatten seit Tagen seine Gemahlin, seine Söhne, der Göttinger Univ-Prof. Dr.. Fritz Wettstein, der Kustos des Wiener Naturhistorischen Kabinetts, Dr. Otto Wettstein, und Ing. Wolfgang Wettstein Assistent am Institut für Züchtungsforschung in Müncheberg bei Berlin, bis zuletzt ausgeharrt.

Bundespräsident Miklas hat an die Familie ein Beileidstelegramm gerichtet.

Prof. Dr. Wettstein war Ehrenbürger der Stadt Wien und Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Berlin.

Die Vorfahren ursprünglich eine aus der Schweiz kommende Patrizierfamilie die ihre zweite Heimat in Österreich gefunden hatten.

Richard Wettstein wurde als Sohn eines höheren Beamten am 30. Juni 1863 in Wien geboren, absolvierte das Gymnasium in der Wasagasse, studierte an den Universitäten Graz und Wien und promovierte bereits mit 20 Jahren zum Doktor der Philosophie.

Bald durfte er als Assistent dem berühmten Wiener Botaniker Anton Kerner von Marilaun beistehen, dabei hatte er dessen Tochter Adele kennengelernt und am 1. Mai 1889 fand die Trauung statt. Adele und ihr Bruder nahmen Malunterricht bei Klimt.

Vor einiger Zeit wurde ein Brautbild von Marie Kerner, Witwe nach Graf von Wolkenstein entdeckt, das ebenfalls von Klimt stammt.

Als der Botaniker Anton Kerner 1877 von Kaiser Franz Joseph die Eiserne Krone 3. Klasse verliehen bekam war das mit einem Adelstitel verbunden. Der Gelehrter wählte Marilaun, nach dem Namen seiner damals im Bau begriffenen Trinser Besitzung im Gschnitztal. In dieser Gegend wimmelte es von altladinische Namen.

Kerner wurde am 12. November 1831 in Mautern, als Sohn eines gräflichen Schönborn'schen Beamten geboren, hatte sich schon in seiner Jugend für Pflanzen interessiert.

Anton Kerner der auch Gedichte verfasste, war als poetischer Naturforscher bekannt.

kerner anton
A. Kerners Sommerhaus in Trins, Quelle: Pharmazeutische Post 1898
kerner villa trins
A. Kerners Sommerhaus in Trins, Quelle: Pharmazeutische Post 1898

Später übernahm Wettstein die Lehrkanzel seines Meisters und Schwiegervaters und habilitierte sich als Privatdozent an der Wiener Universität zwei Jahre später wurde er mit 29 Jahren, als oProf und Direktor des botanischen Gartens und Instituts in Prag. Jahre später in gleicher Eigenschaft an die Wiener Universität berufen, wo er 32 jährig eine äußerst produktive und erfolgreiche Tätigkeit entfaltete.

Außer seinen zahlreich veröffentlichten Werken, hatte Wettstein Unmengen von von botanischen Abhandlungen und Akademieschriften in Fachblättern veröffentlicht. War auch Herausgeber der österreichischen botanischen Zeitschrift. Die medizinische Fakultät der Universität Bonn ernannte ihn zum Ehrendoktor. War außerdem Mitglied der Akademie von Berlin, München, Madrid, Leningrad, Oslo usw.

In der Urania hielt er Vorträge über seine sehr erfolgreichen botanischen Expeditionen. 1901 brach Wettstein mit Fritz Kerner, der als Arzt und Geologe der Expedition angehörte, nach Brasilien auf.

Die aus der Treitl-Stiftung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaft ausgerüstete österreichische Naturwissenschaftliche Expedition reiste am 8. April 1901 von Wien ab.

Josef Treitl 1804-1895 Wien, war Kaufmann, Gemeinderat, Hausbesitzer, Wiener Bürger, Mitglied der Bürgerspital Wirtschaftskommission, Administrator der Versorgungsanstalt, Direktor des St. Joseph Kinderspital, Direktor der Ersten Österreichischen Sparkasse, war sein Leben lang ein großer Wohltäter und stiftete testamentarisch einen hohen Geldbetrag der Akademie der Wissenschaft.

Von den verschiedenen Pflanzenarten wurden 10.000 Herbarium Exemplare und etwa 5000 lebendige Exemplare mitgebracht. 300 Fotos und eine Anzahl von Aquarellen. Bald darauf gab es in der Urania den Lichtbildervortrag „Bilder aus dem Pflanzenleben Brasiliens“

Als akademischer Lehrer erfreute er sich infolge seines verständnisvollen Umganges bei der Jugend größte Beliebtheit. Ebenso in der breiten Öffentlichkeit genoss seine gewinnende Art wie bedeutende Persönlichkeit höchstes Ansehen. Mit seiner gegründeten Partei hatte er wenig Glück. Dafür wollte man, dass er für die Bundespräsidentenwahl kandidiere. Er war für den Anschluss.

Bereits zwei Jahre vorher unternahm er mit seinem Sohn der im Naturhistorischen tätig war eine Südafrikanische Expedition die an ihn sehr schwere körperliche Anforderungen stellte. Vater und Sohn hatten den höchsten Berg Südafrikas bestiegen, den Mafadi 3450 Meter hoch.

Auch darüber gab es anschließend Lichtbildervorträge über die südafrikanische Wüste und Steppe und das ehemalige Deutsch Südwestafrika. Er konnte nicht umhin mit seinem Sohn den Kilimandscharo zu besteigen.

Hofrat Dr. Wettstein genoss nicht nur als Gelehrter von Weltruf, sondern war auch eine der prominentesten Persönlichkeiten der wirklich vornehmen Wiener Gesellschaft. Er erhielt 1917 einen Sitz im Herrenhaus.

In aller Stille hatte er viel Gutes getan vor allem sich armer Studenten angenommen, ohne einen Unterschied der Rassen oder politischen Ansichten zu kennen. Er brachte sein großes Wissen in der Volksbildung durch Vorträge den wissbegierigen Laien nahe und war Hauptförderer des Wiener Volksbildungs-Vereines.

Der Aufschwung den die Wiener Gartengesellschaft während der Nachkriegszeit erfuhr, ist zum großen Teil seiner Initiative zu danken, er gehörte zu den Hütern der großen Tradition des Wiener Botanischen Gartens.

Im Juli 1903 wurde auf der Raxalpe beim Habsburgerhaus ein 400 m² großer Alpengarten angelegt. Man hatte sich an Wettstein gewandt. Für seine Versuche hatte der Botaniker in einer Ecke einige Beete angelegt. Der Alpengarten wurde zu einem neuen Anziehungspunkt auf der Raxalpe.

Am 12. Jänner 1908 fand im Arkadenhof der Wiener Universität die feierliche Denkmaleinweihung des Botanikers Anton Kerner statt. Wer war dazu prädestinierter über das erfolgreiche Leben dieser Persönlichkeit eine Rede zu halten als Richard Wettstein.

Im Dezember 1913 starb Wettsteins Vater, Hofrat Franz Wettstein , 76 jährig, Erzherz. Güter- und Domänen Direktor in seiner Wiener Wohnung Ungargasse 58. Die Einsegnung fand in der St. Rochuskirche statt: Seine letzte Ruhe fand er in der Familiengruft in Persenbeug.

Zum 60. Geburtstag Professor der systematischen Botanik an der Wiener Universität Dr. Richard Wettstein-Westersheim hatte sich bereits bei den akademischen Vorfeiern gezeigt wie beliebt und hochgeachtet diese berühmte Persönlichkeit war.

Als am 21. Juni 1898 Kerner, der Verfasser des Pflanzenlebens und Begründer der modernen Blütenbiologie in seiner Dienstwohnung im Botanischen Garten gestorben war, kam niemand anderer als Nachfolger in Frage als sein Schüler und Assistent Wettstein.

Die Gemeinde Wien hatte beschlossen der Familie des Professors, der bekanntlich Bürger von Wien, ein Ehrengrab für den Gelehrten anzubieten.

Nachdem der Tote aus Trins in Wien angekommen war, erfolgte in der Lueger Gedächtniskirche die Aufbahrung. Die Familie erhielt Beileidstelegramme von Bundeskanzler Dr. Buresch. Vizekanzler und Außenminister Schober hatte der Familie die Teilnahme an dem schweren Verlust, den auch die gesamte Wissenschaft erlitten hat zum Ausdruck gebracht. Das Begräbnis wurde zum Großereignis.

Ein Jahr später, am 30. Juni 1932 sollte beim Ehrengrab des Prof. Richard Wettstein das Grabdenkmal enthüllt werden. Zu diesem Anlass hatten sich wie üblich Gelehrte und Funktionäre eingefunden.

Man war in Erwartung auf den kürzlich zum Rektor der Wiener Universität gewählte Prof. Othenio Abel der zoologischen-botanischen Gesellschaft der die Gedenkrede halten sollte. Pünktlich um 11 Uhr 30 erschien dieser und begann mit seiner Ansprache, bevor er die Rede noch beendet hatte, drängte sich ein älterer, weißhaariger Herr, der sich bisher ruhig verhalten, vor, zog einen Revolver und gab ungefähr aus einem Meter Entfernung auf den Rektor mit dem Ruf: „Halt, du Schuft jetzt rechnen wir ab“ einen Schuss ab.

Bei dem alten Mann handelte es sich um den 65jährigen aoProf., der Zoologie an der Wiener Universität Camillo Schneider, hatte sich gerade neben den Bürgermeister Seitz in die erste Reihe gedrängt. Kaum war der Schuss gefallen als der Bürgermeister Seitz den Arm des Attentäters mit der Waffe zu Boden drückte und so verhinderte, dass der Täter einen zweiten Schuss abgebe. Rektor Dr. Abel der aus so kurzer Entfernung plötzlich eine Revolver Mündung auf sich gerichtet sah, wusste eigentlich nicht gleich was hier vorging.

Sofort nach der Detonation riss der neben dem Rektor stehende Oberpedell den Rock des Rektors auf und stellte fest, dass dieser nicht getroffen worden war. Nach einer kurzen Pause fuhr Abel mit seiner Gedenkrede fort.

Die zahlreichen Trauergäste, es hatten der Altbundespräsident Dr. Hainisch, zahlreiche Professoren, Studentenvereinigungen, der Wiener Männergesangsverein an der Feier teilgenommen, wussten zunächst nicht was eigentlich vorgefallen war, denn der Schuss schien nicht laut genug gewesen zu sein. Dem Attentäter wurde die Waffe abgenommen, von einem Kriminalbeamten und Gemeindewache abgeführt. Als dieser vernehmen musste, dass sein Schuss nicht getroffen hatte, meinte er das tue ihm leid. Er wollte Abel töten weil innerhalb der letzten fünf Jahre die beiden ordentlichen Lehrkanzeln der Zoologie an der Wiener Universität immer mit einen anderen besetzt wurde und nicht mit ihm und weil er genau wisse, dass Prof. Abel ebenso wie Wettstein es gewesen seien, die seine Berufung hintertrieben.

Der Täter entging einer Verurteilung und einem Disziplinarverfahren, denn eine gerichtliche Voruntersuchung habe eine Geistesstörung zum Zeitpunkt der Tat ergeben. Seine akademische Laufbahn war allerdings zu Ende.

Quelle: #

  • Pharmazeutische Post, Der Tag, und weitere Zeitschriften ÖNB