VESTE SCHÄRDING#

Österreich
Veste Schärding, gemeinfrei

1884: Es ist ein seltsames und wehmütiges Gefühl, das einem beschleicht, wenn man auf Stätten wandelt, die schon vor vielen Jahren den Schauplatz reger, menschlicher Tätigkeit und erbitterter Kämpfe bildeten, und die nun öde und verlassen, gleichsam still klagend daliegen, dem Beschauer von entschwundener Macht und Herrlichkeit erzählen.

Alte, verfallene Türme mit Erker und Zwinger, tiefe Gräben mit Wallrahmen, niedere, finstere Tore, an deren Seiten noch Reste eines ehemaligen Brücken-Aufzuges baumeln, bilden ebenso viele Merkmale ei0ner längst vorbei gezogenen Zeit, in welcher die Menschen – nach unseren heutigen Begriffen - still und einfach ihre Tage verlebten, unbekümmert und unbeirrt um das „weite Außerhalb“, das man ja kaum dem Hörensagen nach kannte.

Eine solch geschichtlich merkwürdige, ja höchst interessante Stätte ist die einst so wichtige Grenzveste Schärding, die im Mittelalter, wie im Anfang der Neuzeit bei verschiedenen Kämpfen eine Rolle zukam, und die ihres früheren Charakters entledigt, nunmehr als ruhig friedliches Städtchen dem Beschauer entgegentritt.

Nur die Festungsmauern, die sich knapp und ehern am rauschenden Inn erheben, die hoch über diesen hinweg drohend nach dem jenseitigen Ufer sehen, hinter welcher sich ein lachender Streif bayerischen Landes ausbreitet – sie sprechen noch eine beredte Sprache für die einstige Wichtigkeit dieses Ortes – sie lassen uns ahnen, welch harter Strauss derjenigen wartete, die da mit Gewalt den Eingang sich erzwingen wollten.

Wo jetzt friedliche Bürger emsig ihrem Tagewerk obliegen, da verrichteten durch Jahrhunderte hindurch Wetter gebräunte Gesellen den schweren Besatzungsdienst, da spielten nicht selten die Feuerschlünde und sendeten ihr verderbenbringendes Stück in die Reihen der Belagerer, die in den Niederungen rings umher angezogen kamen. Die Natur selbst schien diesen Fleck Erde zur Anlage einer Festung zu prädestinieren. Im Westen unnahbar durch den reißenden, an vielen Stellen gefährlich zu befahrenden Inn, in den anderen Gegenden umrahmt von Tal Gründen die in weiter Ferne durch Berge ihren Abschluss finden, dominiert diese Stelle nach jeder Richtung hin.

Die ersten Gründer sollen Bojuvarier gewesen sein, anno 550, welche den Ort nach seinen vielen Riffen, die aus dem Inn senkrecht hervorragten, Scarding, Scharding, dass ist ein Platz voller Klippen, benannten.

Auf eine mehr als elf hundertjährige Geschichte sieht diese Veste zurück, und in den Kriegen unserer Vorfahren spielte sie auch immer eine wichtige Rolle.

So nahm sie teil an dem pfälzisch-bayerischen Erbfolgestreit, dem Landshuter Erbfolgekrieg. Spanischem Successionskrieg, dem großen Bauernaufstand, an dem Krieg zwischen Österreich und Frankreich im Jahr 1809, und immer und überall bewährte sich dessen Besatzung und Bewohnerschaft als äußerst brav und tüchtig.

Dem vom Westen gegen die Grenze heran drängenden Feind bot diese Festung den ersten Halt, und wenige Städte der Monarchie sahen so viel feindliches Kriegsvolk wie diese, litten so viel unter Plünderung, Raub und Gewalttaten roher, übermütiger Landsknechte, wie eben diese.

Herzog Rudolf IV., von Österreich dies anerkennend, erließ am 24. September 1364 als Belohnung für die von den Bewohnern geleisteten Dienste den Freiheitsbrief:

Viermal brachte es der Wechsel der Ereignisse mit sich, dass diese altehrwürdige Stätte unter bayerischer Landeshoheit zu stehen kam, ebenso oft wurde sie von Österreich rückgewonnen; zum letzten Mal am 14. April 1816, also vor genau 68 Jahren.

Und was tun wir? Wir wissen fast kaum von der Existenz dieser einstmals so wichtigen Grenzveste, deren Bewohner und Besatzungen so oft zum Ruhm und Ehre des ganzen auf der Bresche standen, bereit zum Fallen und Sterben für Kaiser und Vaterland.

QUELLE: Österreichischer Soldatenfreund, 5. Juni 1884, S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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