VERLASSENSCHAFT#

Monarch
Kaiser Karl I.,

Am 1. April 1922 ist Kaiser Karl I., in Funchal Portugal verstorben. Bereits am 24. April 1922 berichtet die Sonn- und Montags Zeitung über die Verlassenschaft des Kaisers. Scheinbar wurde etwas Großartiges erwartet, doch allmählich sickerte durch, das diese sehr bescheiden war. Und selbst der Besitz, der zum Nachlass gerechnet werden könnte, wird erst einer juristischen Revision und Interpretation unterzogen werden. Die habsburgischen Schlösser, Villen, Meierhöfe sind bereits zum großen Teil aus der fiskalischen Verwaltung in andere Hände übergegangen. Ausländische Pacht Konsotien melden sich und unterhandeln, Wohltätigkeit und Spielkonzession treten als Bewerber und Erwerber auf. Einzelne Objekte aus dem einst habsburgischen Besitz, Einzelstücke aus der Schloss Ausstattung aber sind bereits sonderbare Wege gegangen und in das Eigentum von Privatiers – mitunter wenig hoheitsvoller Privatiers – gelangt. Kürzlich wurde ein Silberservice aus dem Besitz der Kaiserin Elisabeth im Dorotheum öffentlich versteigert. Das Mobiliar des Empfangs Salons des Kaiser Karl aus Schönbrunn ist momentan – in der Leopoldstadt anzutreffen. Die habsburgische Familientradition, die Prunk- und Prachtstücke, sind - in der Taborstraße gelandet. Bei einem Spediteur in der Taborstraße eingelagert.

Das Machtsymbol der Monarchie, das Embleme Österreich-Ungarns war … der Bart Franz Josephs. Er war nicht Detail, sondern Hauptteil jedes Kaiserbildes. In Ländern. Wo man Franz Joseph nicht kannte, konnte man den Kaiserbart. Der graue, zwei gespitzte Bart war gütig und würdevoll, milde und allmächtig. Man gab ihm alle Attribute Franz Josephs.

Monarch
Kaiser Franz Joseph I.,

Der Kaiserbart befindet sich gegenwärtig fest im Besitze eines Privaten, des Wiener Spezialkorrespondenten des „Berliner Tagblatt“ Dr. Leo Lederer, dessen originelle und effektvolle Journalisten Intuitionen ihm die Idee eingaben, die Totenmaske Franz Josephs zu recherchieren. Er ging nicht zum Marschall, der von Amts wegen anwesend war, sondern zum Handwerker, in ein Gipsatelier, das sich mit der Abnahme und Herstellung von Totenmasken beschäftigt. Bei dieser pietätvollen Handlung löste sich nun der Bart Franz Josephs. Dr. Lederer erwarb dieses rare Andenken und bewahrte es seither auf.

Fremde, die das Geld haben, solche Liebhabereien mit Liebhaberpreisen zu bezahlen, und besonders Amerikaner haben Dr. Lederer hohe Summen geboten.

Quelle: Sonn- und Montags Zeitung ÖNB, Bilder Sammlung: Graupp I.Ch.

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