RADIOKONZERTE#

Da im Jahr 1924 die gesetzliche Regelung des Radiowesens noch immer ,nicht erfolgte, war es bisher nicht möglich gewesen, ein vollkommenes Tagesprogramm des Radio Rundspruch: Wirtschaftsberichte, Börsenkurse, Pressemeldungen, Zeit- und Wirtschafts Signale und vor allem musikalische Vorführungen zu bieten. So war es ein erfreulicher Fortschritt, dass die Probe Sendestation einem Teil dieses Tages Programms wenigstens versuchsweise bereits verwirklicht hat. Wie berichtet, hat die Probe Sendestation „Radio Hekaphon“ die Radiokonzerte durch Heranziehung neuer künstlerischer Kräfte erweitert.

Die Ankündigung des neuen,reichhaltigen Programms hat im Kreise der Radio Amateure und des großen Publikums allgemeines Interesse hervorgerufen. Wiener Radio-Amateure, die Amateur Apparate besaßen, konnten nämlich die Konzerte zu Hause anhören.

Für die Abonnenten der „Stunde“ stand die Versuch Empfangsstation im Radio Salon der „Stunde“ I., Kohlmarkt 7, unentgeltlich zur Verfügung.

Im Radio Salon waren die musikalischen Vorführungen der Probe Sendestation mittels neuen Lautsprechern zu hören.

WELTEREIGNIS RADIOKONZERT

Wie gemeldet, waren die Versuche, Radiokonzerte aus Kalifornien und New York in London zu vernehmen. Von vollen Erfolg begleitet gewesen. Das Musikprogramm aus Los Angeles war deutlich zu hören und später vernahm man auch Orchester- und Musiknummern aus New York. Man konnte jedes Instrument deutlich unterscheiden. Vor Schluss des Konzertes kam vom Schiff „S. S. Bowdoin“ das im Polarmeer im Eis eingeschlossen war, ein Radiotelegramm, in dem für den gebotenen Genuss gedankt wurde.

AUFSTAND

Doch allmählich fielen die Radiokonzerte in Ungnade. Seit einiger Zeit wurden in den Kreisen der Wiener organisierten Musiker immer heftigere Stimmen gegen die Radiokonzerte laut; es war Tatsache, dass die Radiokonzerte den Musikern schadeten. Viele Konzert Kaffeehäuser hatten ihre Kapellen entlassen und dafür Radio Lautsprecher eingeführt. Durch den Anschluss des Konzerthauses an die Wiener Sendestation wurde die Konkurrenz der Radiokonzerte noch stark verschärft. Unter der Führung des Präsidenten Haselbrunner eröffneten nun die Musiker eine Aktion gegen die geschäftliche Ausnützung der Musiker zu Radio Zwecken. Sie verlangten, dass entweder die ganze Radiomusik gesperrt werde oder aber zumindest in der üblichen Theaterzeit zwischen 7 und 11 Uhr abends keinerlei Konzerte stattfinden dürften. Eine Sperre des Musikverbandes gegen die staatliche Sendestation würde das Ende derselben bedeuten, denn mit Dilettanten dürfte diese nicht weit kommen. Man hoffte, dass eine Einigung zustande käme, wenn von nun ab die Radiokonzerte nur bis 7 Uhr abends abgehalten würden.

RADIO WERBUNG

In der Österreichischen Radio Zeitung schildert ein Unbekannter über die Neuheit Radio:

„Das neue Zauberwort! Was bedeutet es? Ein Beispiel:Ich lese da in der Zeitung, Rubrik Radiokonzerte. Heute um halb 5 Uhr, Wellenlänge 700 m: „G schichten aus dem Wienerwald, Walzer von Strauß, Ouvertüre zur Oper „Fingalshöhle“ usw. Ich stelle meine Antenne“ in die Richtung des Gewerbemuseums, wo die Radiokonzerte ausgesendet werden, schalte Apparat und Batterien ein, lege den Kopfhörer an und warte nun des Kommenden.Dies alles in meinem Zimmer, dessen Fenster jetzt im Winter natürlich fest zu sind! Es ist halb 5 Uhr. Eigentlich sollte es schon losgehen, denke ich mir, da ich noch nichts höre. Ich zünde mir eine Zigarette an, lehne mich bequem in den Sessel – aha! - noch etwas undeutlich scheint jemand zu sprechen. Zwei Griffe am Kondensator und an der Heiz Spule, die Stimme wird klarer und nun kann ich die Ankündigung des Beginns tadellos hören. Darauf eine kurze Pause und nun geht’s an: Man denke sich: Einige Kilometer, meinetwegen auch hunderte, von hier sitzt eine tadellose Musikkapelle in einem Zimmer, vor sich den Aufnahmeapparat, von dem ein dünner Draht hinauf aufs Dach geht, über das auch wieder nur einige Drähte laufen. Bei mir im allseitig geschlossenen Zimmer steht ein quadratischer Rahmen mit Drähten umspannt, daran geschlossen ein schwarzes Kästchen, zwei Batterien und ich höre jeden einzelnen Geigenstrich, jeden Ton des Klaviers, jedes Instrument, gerade als ob ich dabei wäre!

Ja, noch mehr. Fahre ich in die Sommerfrische, so nehme ich meinen Empfänger mit. Zur bestimmten Stunde, sei es im Hotel, im Gasthaus, in der Schutzhütte, im Wald oder auf einem Berggipfel, ja, es könnte auch im Automobil sein, ganz gleich. Die Antenne aufgestellt, gerichtet, Batterien angeschlossen, abgestimmt auf die Wellenlänge, schon höre ich das Konzert! Wie lange ist es her, wo man den Menschen, der sich so etwas zu sagen getraute, als einen kompletten, Gott sei Dank, noch harmlosen Narren angeschaut hätte. Und heute; Wer's noch nicht gesehen hat, sträubt sich mit aller Gewalt gegen die Stimme im Inneren, die ihm einreden will: Das gibt’s nicht. Es sind ja die Tatsachen da und dass alle Zeitungen so gedruckt lügen können, ist ja nicht möglich. Wer's selbst sieht – staunt. Und wer selbst in die Geheimnisse dieses Wunders eingedrungen ist, der steht ehrfürchtig vor der Erkenntnis: Wieder hat der Mensch ein Stück geheimnisvollen Natur Geschehens sich dienstbar gemacht.

1924
Werbung im Tiroler Anzeiger

Die Tragweite dieser Erfindung ist noch gar nicht abzusehen. So, wie jetzt in jeder Gesellschaft einer zu finden ist, der fotografieren kann, ebenso, ja weit mehr noch, wird man in nicht langer Zeit in vielen Familien einen „Radio Apparat“ antreffen. In Amerika gibt es täglich eine Unmenge Radiokonzerte, Börsenberichte, Neuigkeits Berichte, Märchenerzählungen für Kinder, Unterrichtsstunden, Predigten, Vorträge, alles drahtlos, rundherum, für jeden der über 2 Millionen zählenden „Wellenfischer“ „Broadcast“, auf deutsch „Breitwurf“, nennt es der Amerikaner, „Rundfunk“ heißt bei uns. Ein kompletter Empfangsapparat stellt sich heute auf 3 Millionen und mehr, ist also noch erschwinglich. Selbstbau zum halben Preis ist auch möglich. Also auf zum neuesten und wie man ruhig sagen kann, unterhaltend und nützlichen Sport! Besucher der Wiener Messe werden Gelegenheit haben, solche Apparate in größerer Zahl im Betrieb zu sehen oder richtiger zu hören. Interessenten dienen wir gerne mit Ratschlägen und sind auch bereit, ihnen bei Anschaffungen an die Hand zu gehen, wollen aber gleich bemerken, dass die Radio-Fabriken derart überlaufen sind, dass gute Apparate vor sechs bis acht Wochen kaum zu haben sein werden.“

Quelle: Zeitungen der ÖNB

Hinweis auf verschiedene Radio Beiträge

https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/RADIOKONZERTE