PUMMERIN NEUGUSS#

Wie bekannt, wurde St. Stephans berühmte Glocke im Zweiten Weltkrieg, vernichtet. Jahre sind inzwischen vergangen, doch 1950 entschloss man sich die gewichtige Glocke in St. Florian neu entstehen zu lassen.

Der große Tag der Wiedergeburt der Pummerin sollte der 26. Oktober 1950 werden. Als es so weit war, musste man bekennen, dass allem Anschein nach, der Neuguss misslungen war. Acht Minuten nach Beginn des Gusses durchbrach die glühende Bronzemasse der Glockenspeise die Ummauerung. Innerhalb kurzer Zeit wurde ein Teil des flüssigen Metalls außerhalb sichtbar. Zum Glück kamen durch das technische Missgeschick keine Menschen zu Schaden. Die Feuerwehr löschte die entstandenen Flammen, noch ehe ein Großbrand entstehen konnte. Die Schadenshöhe ist noch unbekannt. Ein endgültiges Urteil darüber, ob der Guss völlig misslungen und wiederholt werden muss, dürfte erst in etwa einer Woche möglich sein, wenn die Masse erstarrt und abgekühlt sein wird. Ingenieur Geisz der Leiter dieser Arbeit, vermutet, dass der Mantel der Form dem gewaltigen Druck der 20 Tonnen flüssiger Bronze nicht standhalten konnte.

Mit der Herstellung des Metalls und des Kerns für den Neuguss der Pummerin würde man Ende der Woche fertig sein. Mantel und Kern hat man dann in den Stollen eingemauert. Neben der oberen Öffnung des Gusskanals wurde für die Feierlichkeiten eine Tribüne errichtet. Und unter dieser Tribüne ereignete sich das Unglück.

Bereits Mittwoch Nachmittag wurde mit dem Schmelzen der rund 20.000 Kilogramm Metall begonnen. Die Legierung bestand aus 80 Prozent Kupfer und 20 Prozent Zinn. Auch Teile der alten, im Jahr 1945 zerstörten Pummerin wurden verwendet. Die Schmelztemperatur betrug 1260 Grad. Also nur Teile der alten Pummerin wurden verwendet.

Heute gegen 14 Uhr versammelten sich in der Glockengießerei zu St. Florian hunderte Festgäste, darunter der Landeshauptmann Doktor Gleißner, der Abt des Stiftes St. Florian Hager sowie Vertreter des Domkapitels von St. Stephan. Abt Hager sollte die Weihe der neuen Glocke vornehmen. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen.

Der Guss wurde nach uraltem Brauch mit Versen aus Schillers Glocke eingeleitet. Es folgt ein Gebet. Dann gab Ing. Geisz das traditionelle Kommando; „Zapfen aus!“ Mit mehreren wuchtigen Hammerschlägen durchstieß ein Arbeiter den Zapfen und das orangerot glühende Metall schoss durch die Kanäle in die Form. Ing. Geisz sah den Spiegel der flüssigen Metallmasse bereits zur Krone ansteigen, als wenige Minuten vor Beendigung des Gusses der Spiegel plötzlich abzusinken begann.

Im selben Augenblick loderten Flammen auf und ein Schrei ertönte: „Die Tribüne brennt!“

Landeshauptmann Dr. Gleißner riss entschlossen das Kommando an sich. Im Verlauf von kaum einer Minute war die Tribüne von einigen hundert Zuschauern geräumt. Wieder einige Sekunden später griff auch schon die Feuerwehr ein. Noch ehe die Festgäste das Ausmaß der Katastrophe erfasst hatten, gingen die Feuerwehrmänner bereits gegen die glühende Bronze vor. Kein einziger der Zuschauer wurde verletzt. Das Ausmaß des Schadens allerdings wird man erst feststellen können, wenn nach Erkalten der Glockenspeise die Lehmform untersucht wird. Man nimmt an, dass der Kern der Glockenform intakt geblieben ist. Auch .das ausgeflossene Metall kann wieder verwendet werden.

Als besonders bedauernswerter Zufall muss es bezeichnet werden, dass man sich in St. Florian im letzten Augenblick dazu entschlossen hatte, die von einer Versicherungsgesellschaft angebotene Haftung für einen Fehlschlag beim Guss abzulehnen.

Wie Ing. Geisz mitteilte, hätte ein restloses Gelingen des Gusses der neuen Pummerin in der Geschichte der Glockengießerei geradezu eine Sensation bedeutet. Bei derart ungewöhnlichen großen Glocken nämlich ist der Guss bisher immer erst nach einigen Fehlschlägen geglückt.

Auch der Landeshauptmann Dr. Gleißner meinte kurz nach der Katastrophe, wird, im Fall, dass der Guss wiederholt werden müsste, das Land Oberösterreich, das für den ersten Guss 300.000 Schilling aufgebracht hat, wird auch die Kosten des zweiten Gusses übernehmen. Die Mittel sollen durch Spenden zustande gebracht werden. Allerdings könnte, obgleich der neuerbaute Schmelzofen intakt geblieben ist, mit dem neuen Guss frühestens im Frühjahr 1951 begonnen werden.

1952 konnten die Wiener ihre geliebte neue Pummerin endlich mit Jubel begrüßen.

QUELLE: Neues Österreich, 27. Oktober 1950, Seite 1,Bild: Pummerin, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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