PORTAL DER ZENOBURG#

Meran
Portal der Zenoburg, Dillingers Reisezeitung

1891: Das vielbesuchte, zauberhafte Meran mit seiner herrlichen Umgebung ist auch für Freund und Forscher alter Baudenkmäler eine wahre Fundgrube, zu der auch die Feste Zenoburg zählt. Vor allem das Portal, das zur Kapelle des ehrwürdigen Baues führt. Der Küchelberg, an dessen südlichen Abhang Meran sich lehnt, schließt seine äußerste Spitze gegen Osten mit einem auf drei Seiten jäh abfallenden Felsenkegel ab, zu seinen Füssen drängt sich die wild schäumende Passer durch das Felsgestein. Von dem Passeiertor der Stadt erreicht man die Zenoburg in einer Viertel Stunde; sie ist die Hüterin des Passeiertals, und diese imponierende Lage lässt wie die anderen Burgen an der Mündung der Tiroler Seitentäler auf hohes, nicht unwahrscheinlich römisches Alter schließen. Den späteren Namen entlehnte sie der zu Ehren des heiligen Bischofs Zeno von Verona geweihten Kapelle. Das erste Heiligtum baute hier der Freisinger Bischof Corbinian, vermutlich aus dieser Gegend und in seinen letzten Jahren als Verbannter in der nächsten Umgebung lebend, um 720 bis 730 nach Meichelbeck hist. Frising 1, 16. Die Kapelle soll er 726 geweiht haben.

Nach Beda Weber , Umgebung von Meran, stand sie 1288 bereits 570 Jahre, wäre somit 718 erbaut worden, aber in der Folge verfiel sie, jedoch durch Beiträge der Gläubigen, die durch Verleihung von päpstlichen Ablass dazu aufgemuntert wurden, wieder hergestellt worden.

Um diese Zeit dürfte auch das figurenreiche Hauptportal dem alten Bau eingefügt worden sein, denn dafür sprechen dessen spätromanische Formen. Der Bau selbst scheint nach der Mauertechnik zu urteilen, bedeutend älter zu sein.

Das Hauptportal der Kapelle der Zenoburg zeigt eine einmalige Abtreppung im Gewände und darin ist eine schlank gebaute Säule eingesetzt. Deren Fuß hat eine der attischen nächst verwandte Form und zieht sich über das ganze Gewände gleichmäßig durch. Dasselbe gilt bezüglich des Kelch-Kapitell, an welchem die knollenartigen Enden und Überschläge der Blätter, welche wir an den Portalen der Dome von Trient und Brixen begegnen, ziemlich ähnlich nebst zartem, aber noch randlosen Akanthusblatt wiederkehren.

Das Tympanion ist hier leer gelassen, all der reiche figürliche Schmuck verteilt sich auf das Gewände und gibt Zeugnis von einer heiteren, lebensfrohen Phantasie, der aber nach der damaligen Ansicht eine tiefere symbolische Bedeutung hier an dieser Stelle, am Eingang in eine geweihte Kapelle zweifelsohne zugrunde gelegt werden muss.

Links oben sehen wir einen Basilisk, dessen Schweif in reiches, stilisiertes Laubwerk ausläuft, er steht einem ganz harmlosen Eichhörnchen gegenüber. Darunter scheinen zwei aufgeblasene Fratzen Gebilde mit ungeheuerlichen Köpfen und missgestaltetem Unterleib aneinander platzen zu wollen. Danach begegnen wir einem Adler in Zwergengestalt mit einem Haushahn zusammengestellt und einem ausgemergelten Jagdhund der den Bogen spannend auf einen Hasen zielt.dieser hat aber eine Riesengestalt und ein zweites Gesicht auf dem einen Hinterfuß. Endlich folgt eine zierliche, jugendliche Figur, welche mit ihrem kugelförmigen Rauchfass frühromanischen Stils auf die Nähe der heiligen Stätte deuten dürfte.

Auf der anderen Seite schreitet das gackernde Rebhuhn dem daher stürmenden Jagdhund unerschrocken entgegen. Endlich predigt der Fuchs den Gänsen oder nach anderer Erklärung stürmt ein Bär gegen sie wütend an. Wir sehen hier die Symbolik bereits in bekannten Jagd- und Haustieren durchgeführt, was wie die Kleeblattform und die Blätterform an den Kapitell an die zweite Hälfte des XIII. Jahrhundert erinnert. Indessen zeigen die ausgebreiteten Flügel des Adlers noch kein Band mit kleeblattförmigen Enden, was nach Ph. Neeb erst nach 1271 bei der damaligen Teilung des Landes zwischen den Häusern Tirol und Görz als gegenseitiger Verbindung gewählt wurde – dürfte aber bis auf das Ornament herab nicht gleich allgemein durchgeführt worden sein.

Das Portal ist im rotem Sandstein ausgeführt, daher stark verwittert.nur die Säulen, der Türsturz und das Bogenfeld bestehen aus weißem Marmor.

QUELLE: Dillingers Reisezeitung, 1. Februar 1891, S 3, Bild, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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