PIETA XVI. JAHRHUNDERT#

unbekannt
Pieta

Es ist interessant welche Kostbarkeiten an Kunst im alten Wien zu entdecken waren.

1887: In einem kleinen Häuschen in der Wiedner Hauptstraße Nr. 21, wie sie nach der zweiten Türkenbelagerung außerhalb Wiens von Geschäfts- und Handelsleuten entstanden sind, ein Bau der architektonisch nichts Bemerkenswertes zu bieten hat, zweistöckig, drei Fenster in jeder Etage, umschließt zwei Höfe, hat noch ein Hintergebäude und ein Gärtchen das den Abschluss bildet.

Die Fassade schmucklos, zeigt einfaches Rahmenwerk von Stuck um die Fenster und hat über dem seit einigen Jahren modernisieren Tor ein al fresco gemaltes Medaillon mit dem Bild Mariahilf, ebenfalls von reizvoller Stuckatur umrahmt. Hier ist allerdings bereits der Stil des 18. Jahrhunderts erkennbar.

Im Torflur ist ein kleiner Laden etabliert. In einer Nische die in einen Bogen endet, ist darüber ein sehr interessantes Skulpturwerk angebracht das nicht unerwähnt bleiben darf, da es aus der Zeit vor dem Entsatz Wiens herrührende Kunstgebilde in den Wiener Vorstädten durch die gründliche Zerstörung an Seltenheitswert gewinnt. Es ist eine Gruppe, wahrscheinlich von Stein, jedoch, es könnte auch Holz oder Ton sein, dicke Kalkkrusten unzähliger Kalküberlagerungen lassen das ohne weitere Untersuchung nicht erkennen. Verhältnismäßig sehr breit, bei geringer Höhe, ist die Gruppe von acht Figuren gebildet, den Mittelpunkt stellt die Madonna mit dem Leichnam des Herrn, die übrigen sind rechts und links die weiteren Teilnehmer der Bestattung, den Rand des Bogens über den Figuren dekoriert ein ebenfalls plastisches Blumengewinde. Leider haben die Formen äußerst gelitten, mehrere Köpfe und Gliedmaßen fehlen und alles umhüllt die Kalktünche, man kann nur erkennen, dass man ein Werk deutscher Renaissance aus der Zeit von zirka 1520 vor sich hat, welches sorgfältiger Reinigung wohl wert wäre.

Nach C. Hofbauers Beschreibung über Wieden führte das Haus den Namen zum goldenen Einhorn und auch die Namen der Besitzer waren bereits seit 1630 bekannt, das bei Vorstadthäuser sehr selten war Vor 1688 scheinen schon zwei Eigentümer auf, welche, was sehr interessant ist, beide dem Kunsthandwerk angehörten, nämlich seit 1630 „Peter Spatz“ ein welscher Maurer, und seit 1660 „Donatus Rueber, Stuckateur“. Ab 1685 gehörte es Georg Kienner, Lederzurichter und 1706 bis 1709 Richter auf der Wieden. Peter Spatz ist ein Mitglied der in Wien und Österreichs Kunstgeschchte von der frühe Renaissance bis in das Barocke stark verzweigten italienischen Maurer- und Bildhauerfamilie der Spazzio, daraus Spatz geworden ist. Über diese Familie ist in Urkunden viel zu finden.

Das Bildwerk war, seinem Alter zufolge, schon zirka ein Jahrhundert im Haus, als dieses in Pietro Spazzios Besitz gelangte, es überdauerte die zweiten Türkensturm. Vielleicht ist es entstanden, als nach der ersten Türkenbelagerung hier wieder Häuser gebaut wurden, dem würde sein Stil entsprechen. Ob das Haus schon immer Künstlern gehört haben mag?

Bei den derzeitigen Besitzern ist die Sage bekannt, dass dasselbe einst ein Kloster gewesen wäre, wohl nicht den Tatsachen entsprechend, doch so manchem Gebäude haftet oft etwas Geheimnisvolles an.

QUELLE: Wiener Geschichtsblätter 1887 H 2 S 2 ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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