PFAFFENKÄPPCHEN#

giftig
Pfaffenkäppchen

1942: Jeder Landbewohner kennt den Strauch, der im Herbst mit seinem lebhaft roten Früchten aus dem Wald, von Waldessaum oder Rainen, vom Hag oder Zaun hervorleuchtet. Er wird wegen des Aussehens seiner Früchte, die dem Barett des katholischen Geistlichen ähnlich sind, im Volksmund Pfaffenhütchen, Pfaffenkapperl genannt; er heißt aber auch Spindelbaum oder Spindelstrauch (Evonynum europaeus).

Das Holz des Pfaffenkäppchens wird zur Zahnstocherherstellung verwendet. An den Früchten erfreuen sich die Fasane. Damit ist für gewöhnlich das Wissen von diesem Strauch, der zuweilen eine Höhe bis zu vier Meter erreicht, erschöpft.

Doch jetzt ist das Pfaffenkäppchen plötzlich aus seinem Aschenbrödeldasein ins Licht gerückt worden, es ist als Guttaperchalieferant zu besonderer technischer und wirtschaftlicher Bedeutung gelangt.

Guttapercha ist ein ist ein Isoliermittel für Fernkabel, Telegrafen-und Fernsprechkabel und für Seekabel und ist von dem deutschen Erfinder Werner Siemens entdeckt worden..

Guttapercha ist als Kabelisoliermittel jetzt noch unentbehrlich und ist bisher am billigsten aus dem Milchsaft einer Anzahl tropischer Bäume und Sträucher durch Eintrocknen oder sonstige Wasserentziehung gewonnen worden.

Seit einiger Zeit ist nun bekannt, dass Guttapercha nicht nur aus tropischen Baumarten gewonnen werden kann.

Auch die Rinde des Pfaffenkäppchens enthält Guttapercha, die dem aus tropischen Gewächsen gewonnenen Erzeugnis nicht nachsteht. Für die Guttaperchagewinnung eignen sich am besten der gemeine und der warzige Spindelbaum, während der breitblättrige oder Voralpen-Spindelbaum dafür weniger in Betracht kommt.

Nach den Forschungsergebnissen kann allgemein gesagt werden, dass der Guttaperchagehalt der Wurzelrinden höher als der der Stammrinden ist und dass er mit dem Alter in allen Teilen zunimmt und somit bei jungen Pflanzen gering ist.

Im Frühjahr und Frühsommer von April bis Anfang Juli, ist der Gehalt an Guttapercha am höchsten.

Die Untersuchungsergebnisse veranlassten das Reichspostministerium, in jenen Gebieten, in denen der Spindelbaum in größerer Menge vorkommt, mit der Gewinnung der Wurzel und Stammrinde zu beginnen, um die Guttapercha Einfuhr zu ersetzen.

Es sollen in der Niederdonau mindestens 1000 Tonnen des Guttapercha Rohmaterials gewonnen werden.

Das Pfaffenkäppchen ist auch häufig in der Gegend von Banjaluka in Bosnien anzutreffen, und bilden einen vorzüglichen Handelsartikel und werden über Triest und Alexandrien nach Ägypten geliefert, wo sie ihrer besonderen Elastizität wegen sehr beliebt und gesucht sind.

Das gewonnene Pulver aus den Kernen des Pfaffenhütchens wird mit Öl vermischt, warm gemacht und der an Borke leidende Kopf der Kinder damit eingerieben

Nicht nur Zahnstocher gewinnt man aus dem Holz der Pfaffenkäppchen, Gebrannt gilt das Holz des Pfaffenhütchens schließlich als die beste Zeichenkohle, die der Maler schätzt, und man braucht nicht zu staunen, dass es, dem Schießpulver beigemischt, und da eine Wirkung entfaltet.

Mit dem gewonnenen dickflüssigen, fetten Öl der Samen bekämpfte man früher die Krätze und Ungeziefer bei Tieren. Die Bauern in Tirol hatten in ihren Stuben dadurch Licht, da sie auf dem Öl die schwimmenden Dochte der alten Lampen verwendeten.

Guttapercha ist auch in der Zahnheilkunde sehr gefragt wo sie als Wurzelkanalfüllung Verwendung findet.

2006 wurde der Spindelbaum, Pfarrerkapperl zur Giftpflanze des Jahres gewählt.

QUELLEN: Neue Freie Presse, 12. September 1938, S 5. Pharmazeutische Presse, 12. September 1941, S 6, Agrarische Presse, 16. Mai 1942, S 11, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/PFAFFENKÄPPCHEN

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