LEBERTRAN#

Fischöl
Lebertran Kapseln

Bis in das Jahr 1960 bekamen alle Kleinkinder Lebertran aber nicht in Kapselform. Lebertran ist eine ölige Flüssigkeit, die aus den Lebern einiger Seefischarten gewonnen wird, kein Wunder wenn er bei so manchem Kind nicht beliebt war.

Nach Versuchen des Londoner Arztes Sir Edward Mellanby, der 1919 den therapeutischen Nutzen von Dorsch Leberöl, von Butter und von Rindernierenfett an rachitischen Hunden nachgewiesen. Die Wirksamkeit des Öls wurde 1824 erkannt. Der Chemiker Hans Brockmann isolierte aus Fischleberölen einen Wirkstoff den er Vitamin D3 nannte.

Besonders das reichlich darin enthaltene Vitamin A ist für die Gesunderhaltung der Haut sowie Schleimhaut, aber von größter Wichtigkeit für die Augen, deren Sehkraft gerade in diesen Zeiten sehr in Anspruch genommen werden.

Auch ältere Menschen sollten sich seiner wieder erinnern. Für so manche unliebsamen Beschwerden kann er durchaus Erleichterung bringen.

Hippokrates und der damalige Gelehrtenkreis wussten Bescheid über den gesundheitsfördernden Effekt des Lebertrans. Darum sollte man auch dem Original den Vorzug geben

Neuerdings erlebt das Produkt eine Wiedergeburt, Lebertran wird als Wundermittel angeboten, doch jetzt sind die Vitamine synthetischen Ursprungs.

1826: Die wichtigsten Meeresgebiete für den Fang dieser Fische, Dorsch und Kabeljaus, sind bei Schottland, Neufundland und Norwegen. Der beliebteste Lebertran bei uns ist der aus Norwegen; er wird in den ersten Wintermonaten auf den Lofoten in Norwegen aus den ganz frischen Lebern des Dorsches gewonnen. Guter Lebertran soll hellgelb, klar und schwach säuerlich sein, der Geruch leicht fischig, ähnlich dem Geruch der feuchten Seeluft. Kinder, die Gelegenheit gehabt haben, am Meeresstrand zu leben, erkennen den Meeresgeruch am Lebertran sofort wieder, und manchem Kind kann durch diese angenehme Erinnerung vielleicht Lust zum nehmen des Lebertrans gemacht werden, an der es ja leider größeren Kindern so häufig mangelt.

Die Aufbewahrung des Lebertrans erfordert eine gewisse Vorsicht, denn er verdirbt leicht und muss vor Licht, Luft und Wärme geschützt werden.

Der Lebertran steht schon seit langer Zeit in hohem Ansehen. Zwei Wirkungen sind es hauptsächlich, die ihn unentbehrlich für den Säugling und das Kleinkind sowie als Verhütungsmittel der englischen Krankheit Rachitis angesehen werden kann.

Die englische Krankheit entsteht meist nach den ersten Lebensmonaten und führt zu Störungen des Knochenwachstums, welche zu Formverbildungen des Kopfes, des Brustkorbes und der Arme und Beine Anlass geben. Außerdem neigt der Rachitiker zu krampfartigen Störungen, zu den gefürchteten sogenannten Fraisen. Die Knochenverkrümmungen kommen dadurch zustande, dass der kranke Körper die Fähigkeit verliert, im Knochengewebe Kalksalze abzulagern, wodurch der Knochen zu weich wird.

In neuer Zeit hat man erkannt, dass drei Bestandteile in der menschlichen und tierischen Nahrung nicht fehlen dürfen, es sind die „Vitamine“ A, B und C.

Die Vitamine sind in unseren Nahrungsmitteln nicht mäßig verteilt. So ist zum Beispiel das Vitamin B welches bei dem Wachstum des Körpers die wichtigste Rolle spielt, in der Kleie, aber nicht im Mehl enthalten, also wohl im Schwarzbrot, aber nicht im Weißbrot, ebenso fehlt es dem geschliffenen Reis, bei dem die Hülle des Kornes vollständig entfernt ist. Der Mangel an diesem Vitamin B führt in Ländern, in denen die Nahrung hauptsächlich aus Reis besteht, zu einer schweren Krankheit Beriberi, wenn der Reis zu gründlich geschliffen wird. Ein anderes Vitamin enthalten hauptsächlich Milch, frisches Obst und Gemüse, das Vitamin C, durch dessen Mangel Skorbut entsteht, eine Krankheit, die auch bei Säuglingen vorkommt, zu Zahnfleischblutungen, und Knochenhaut führt bei Zufuhr von Zitronen und anderen frischen Obstsäften bald wieder verschwindet. Das Vitamin C ist in der Muttermilch und in der Kuhmilch enthalten, wird jedoch zerstört, wenn man die Milch zu lange kocht. So ist Kondensmilch, stark gedämpfte Milch als Dauernahrung schon aus diesem Grund ganz unzulänglich.

Lebertran und ganz besonders Phosphorlebertran und Kalklebertran mit Phosphor erteilen dem Vitamin A im Lebertran eine ganz besondere belebende Wirkung, welche imstande ist, den rachitisch kranken Knochen zu gesundem Wachstum und Festigkeit zurückzuführen.

Bei großen Kindern ist der Lebertran ein wunderbares Heilmittel bei chronischen Ernährungsstörungen, Skrofulose und Tuberkulose. Bei Säuglingen und größeren Kindern ist jedoch der Lebertran allein oft nicht imstande zu wirken, wenn nicht Höhensonne- oder natürliche Sonnenlichtbestrahlungen gleichzeitig angewendet werden.

Ganz besonders wichtig ist es zu wissen, wie man den Lebertran verabreicht. Besonders größere Kinder zeigen ihre Abneigung, ihren Ekel oder erbrechen sogar. Man sollte vor ihnen nichts Negatives über den Lebertran sagen, im Gegenteil nur Gutes über ihn äußern, nur so wird das Kind ohne Argwohn ihn schlucken.

Bei Verdauungsstörungen oder Nachlassen der Esslust unterbricht man die Kur, die kühle Jahreszeit eignet sich zum Lebertrantrinken viel besser als der Sommer. Man nimmt ihn zu den größeren Mahlzeiten. Die Bauchspeicheldrüse wird durch die Verdauung des Breis zu lebhafter Absonderung ihres Verdauungssaftes angeregt, und diese ist es, welche den Lebertran in feinste Tröpfchen auflöst oder eine natürliche Emulsion herstellt in der das Fett leicht verdaut wird.

Besonders gut wird Lebertran in heißer Suppe genommen und zwar in drei Portionen, eine ohne Lebertran, dann eine mit, und zuletzt ohne Beimengung, mit Schwarzbrot um den Geschmack zu verdecken. Ein vorzügliches Mittel Sardinen mit Lebertran.

Heute gibt es auch Gegner gegen dieses historischen Wundermittels, das wieder in Mode kommt, man bedenke wie die Meere verunreinigt und in letzter Zeit unerwünschte Giftstoffe aufweisen, darunter Arsenverbindungen, die besonders der Dorsch aufzunehmen liebt.

Aus Sicht der modernen Wissenschaft haben die Fettsäuren und Vitamine im Lebertran einen günstigen Effekt auf den menschlichen Körper und Geist.

Doch die Forschung zeigt auch auf unerwünschte Begleiterscheinungen und mahnt zur Vorsicht.

QUELLE: Die Mutter 16. Februar 1926, S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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