KÖNIGIN DER BLUMEN#

Rosen
Aquarell, I. Ch. Graupp

Wie die Königin der Blumen auf unsere Erde gekommen, warum sie prädestiniert worden, uns arme, staubgeborene Irdische mit ihrem Glanz, ihrer Schönheit und ihrem Duft zu beglücken, das wollen wir nachfolgend versuchen, zu erzählen.

Doch sei zur Vermeidung aller Missverständnisse von vornherein betont, dass wir nicht im Sinne darwinistischer oder antidarwinistischer Naturanschauung solches tun wollen, sondern lediglich im Gewand der mehr oder weniger anmutigen Fiktionen der Poeten.

So erzählt uns Anakreon, dass an jener Stelle, wo einst die schönste Göttin – Venus - dem Meer entstiegen, ein klein wenig Meerschaum auf dem Erdboden zurückgeblieben, in diesem aber der Keim des ersten Rosenstockes verborgen gewesen sei, Dort, wo die Göttliche das Land zuerst betreten, dort habe der Keim sogleich Wurzel geschlagen, hoch sei der Strauch augenblicklich aufgeschossen und habe sich über und über mit den köstlichen Blüten bedeckt, so dass nicht nur für ewige Zeiten die Stelle bezeichnet worden, wo die Königin der Schönheit zuerst mit ihrem Fuß die Erde betreten und geweiht, sondern dass dieselbe auch beim ersten Schritt ins Leben schon den süßen, berauschenden Duft einatmen konnte.

Anders schildert eine weitere griechische Sage den Ursprung der herrlichen Blume. Danach weihte einst eine Mutter, um des geliebten Kindes - Roselia – Leben zu retten, dasselbe schon in frühester Jugend dem Dienst der keuschen Diana. Als das Mädchen jedoch zur lieblichsten Blume erblüht war, da reute die Mutter das Gelöbnis; sie beschloss, ihr Kind dem Artemistempel wieder zu entreißen und mit dem schönen Cymedor zu vermählen. Ohne die Sünde und ihre Folgen zu ahnen, schwur Roselia an Hymens Altar den frevelhaften bindenden Eid; Cymedor jedoch, bangend vor der beleidigten Göttin Zorn, suchte so schnell als möglich sein jugendliches Weib aus dem Tempel und in Sicherheit zu bringen. Vergebens! Kaum hatte das Paar die letzte Stufe überschritten, da sah es Diana vor sich. Nicht ungestraft beleidigt man die Götter; ein unglückseliger Pfeil der niemals Fehlenden durchbohrte Roselias Herz! Überwältigt vor Schmerz, Liebe und Zärtlichkeit, warf Cymedor sich auf die Gattin, sie zu erhalten, neu zu beleben; aber – o Wunder – der eben noch so schöne, so üppige Leib war verschwunden, ein fremdartiger, unbekannter, mit Dornen übersäter Strauch stand an der Stelle. Bald entsprossen diesem - der entstanden war aus Diana Reue und den Tränen reiner Liebe - gar liebliche, wohlriechende Blumen, welche man den Namen des unglücklichen Opfers beilegte zum ewigen Gedächtnis ihrer Verwandlung.

An Dianas Namen knüpft auch noch ein anderer Mythos, den uns in seinem großen Gedicht über die Gärten der Jesuit Rapin erzählt: ob er ihn selbst erfunden, ob er ihn alten Schriften entlehnt, das lassen wir dahin gestellt. Die Königin Korinths, Rhodante, war von so unbeschreiblicher Schönheit und Anmut, dass jeder, welcher sie erblickte, augenblicklich sein Herz an sie verlor. Von Tag zu Tag mehrte sich das Heer der um Liebe Flehenden und die Königin Bestürmenden, so dass diese, um zu entrinnen und Ruhe zu erlangen, in einen Tempel der Artemis floh. Doch auch hier fand sie das ersehnte Ziel nicht, auch die geweihten Mauern schützten die Herrliche nicht vor der Glut ihrer Anbeter, und drei von diesen - kühner als die anderen – drangen ein in das Heiligtum, mit Gewalt zu erringen, was Bitten, Seufzen und Dienen ihnen nicht hatte erzielen können, Voll hehren Zornes verteidigte Rhodante sich gegen die Anstürmenden, das auf ihr Geschrei herbei geströmte Volk jedoch hatte nicht sobald die überirdisch Schöne erblickt, als es auch voll Bewunderung und Entzücken außer sich geriet. Alles fiel auf die Knie und rief:„Fürder ist nicht mehr Artemis die Göttin dieses Tempels, der herrlichen Rhodante sei er geweiht, ihr bringen wir unsere Huldigungen, unsere Gebete und Opfer dar!“ Schon legten die Wahnwitzigen Hand an die Bildsäulen der Göttin, sie umzustürzen, da erschien die Schmach, welche der Schwester angetan, zu rächen, Apollo und verwandelte voll Zorn die schöne Rhodante in einen blühenden, duftenden Rosenstrauch, die drei ungestümen Bewerber aber in einen Schmetterling, einen Wurm und eine Fliege.

Gessner in einer seiner Idyllen verknüpft wieder Bacchus mit der Entstehung der Rose, und schildert über diese: Der Gott des Weines verfolgte einstmals eine liebliche junge Nymphe, doch leichten Fußes flog diese dahin über die Blumen und lachte gar boshaft, als sie den etwas unbeholfenen Gott schwanken, unsicheren Schrittes nacheilen sah. Da, als Bacchus schon gewillt war, die Jagd aufzugeben, verfing ein Zipfel des Gewandes des schönen Flüchtlings sich in einem Dornenstrauch; entzückt über solch glückliches Ungefähr trat der Gott zur Nymphe und sprach: „Ärgere dich nicht allzu sehr, du lieblicher Wildfang, ich bin Bacchus, der Gott des Weines, der Gott der Freude, der ewig junge Gott!“ Errötend und von Ehrfurcht durchschaut, senkte die Angesprochene die Augen, Bacchus aber, dem Dornenstrauch, welcher ihm geholfen, seine Dankbarkeit zu bezeugen, berührte ihn mit seinem Stab und gebot ihm, von Stund an sich mit Blüten zu bedecken, deren liebliches Rot das zierliche Farbenspiel auf den Wangen der schamhaft errötenden Nymphe nachahmen und verewigen solle. Des Gottes Befehl war kaum ausgesprochen und die erste Rose erblühte.

Nach dem heiligen Basilius sollen nach Erschaffung der Welt alle Rosensträucher völlig dornenlos gewesen sein, allmählich aber, da die undankbaren Menschen die schöne Blume viel zu wenig beachteten, seien immer mehr und mehr Stacheln an den Zweigen entstanden.

Auch über den Ursprung der roten Farbe so vieler Rosen gibt es eine Anzahl zart poetischer Erklärungen; so berichten Ovid, Bion und andere, das Blut des Adonis habe die ursprünglich weiße Rose gefärbt. Jeden Morgen soll sich die Brust der Schäferin, wie Venus anbefohlen habe, mit der noch Tau feuchten, mit dem Blute des Adonis gefärbten und von den Küssen der Liebe köstlich duftenden Rose vermählen. Nach Aphthonius hingegen soll der herrlichen Venus Blut selbst die Ursache der rot gefärbten Blume sein. Trotz aller Bitten und Beschwörungen der Göttin, sich nicht mehr mutwillig der Gefahr auszusetzen und der Jagd auf wilde Tiere zu entsagen, habe dennoch eines Tages Adonis abermals mit einem gar grimmigen Keiler sich in einem Kampf eingelassen und sei dabei von diesem getötet worden. In fliegender Eile, dem Geliebten zu Hilfe zu kommen, habe denn die Göttin, nicht achtend der Wurzeln und Dornen im Wege, ihren Weg durch den Wald gesucht, sich hierbei aber ihre zarte, göttliche Hand überall geritzt und zerrissen.Tropfen des warmen, roten Blutes seien dabei auf weiße Rosen gefallen und augenblicklich wären dieselbe im feurigsten Rot erglüht...

Welche nun von all diesen Mythen unseren schönen Leserinnen am ansprechendsten erscheint, das müssen wir ihren eigenen Empfindungen und Anschauungen überlassen; tiefe und reine Poesie liegt wohl in allen, mehr jedenfalls als in jener Fiktion, welche bei den Mohammedanern im Schwung ist, und mit welcher wir unsere kleine, harmlose Plauderei beschließen wollen. Die in allem etwas seltsamen Moslems sind nämlich der Meinung, die Königin der Blumen sei, gleichwie der Reis, aus den Schweißtropfen des Propheten Mohammed entsprossen. F. von Thümen

QUELLE: Wiener Landwirtschaftliche Zeitung, 27. Dezember 1882, S 1. ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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