JUDENBURGER WALLFAHRT#

Kärnten
Kirche Maria-Waitschach

1923: Schon wochenlang gab es eine freudige Aufregung unter der gläubigen Bevölkerung der Stadt und Umgebung. Heuer galt es wieder, das Gelübde der Judenburger Bürgerschaft zu erfüllen und so pilgerten die Judenburger nun heuer zum 111. Mal über die Almen nach Maria Waitschach in Kärnten. Die erste Wallfahrt fand 1495, seit 1583 findet die Wallfahrt bis heute alle drei Jahre statt Mit Rucksäcken und langen Bergstöcken ausgerüstet, zogen die Wallfahrer am Fest Peter und Paul um 2 Uhr nachmittags von der Stadtpfarrkirche betend aus. Es waren gegen 300 Personen. Herr Kreisdechant Monsg. Karl Schweitzer mit seinen Herrn Kaplänen und eine große Volksmenge begleiteten die Wallfahrer bis zum Oberwegkreuz.

Hier hielt der Kaplan Gottfried Hausegger als geistlicher Pilgerführer eine Ansprache: „Wir ziehen zur Mutter der Gnade zu ihrem hochheiligen Bild. Wir wollen das Herz ihr erfreuen, uns selber im Geiste erneuern.“

Nicht eine bloße Almpartie soll unsere Wanderung werden zum Wohl des Leibes, sondern auch eine Wallfahrt zum Heil der Seele. Mit diesen Worten war der Zweck unserer Wallfahrt gekennzeichnet. Nach dem ersten Schweißausbruch zum Reiterbauer begann unser Gebet die angenehme Höhenwanderung nach St. Wolfgang, wo uns der Pfarrer mit Fahnenträgern und weiß gekleideten Mädchen beim Kreuz vor dem Bergdorf empfing.

Am Samstag, dem 30. Juni, früh um 1 Uhr, weckten uns schon die Pöllerschüsse aus dem Schlaf, weil um 2 Uhr Auszug aus St. Wolfgang war. Für das frühe Aufstehen und den Aufstieg auf die Rotheide wurden wir reichlich entlohnt durch das herrliche Naturschauspiel, das sich uns darbot: Die Täler waren ausgefüllt mit dichten Nebelmassen, aus denen Bergzüge wie Inseln aus dem Meer hervorragten. Darüber begann am fernen Horizont die Sonne aufzugehen, sich langsam entwickelnd von kleinen roten Streifen bis zum Halbkreis und weiter, bis sie sich in feurig roter Kugel als Königin des Tages uns vorstellte. Wir konnten ihren Anblick genießen, ohne dem Auge auch nur im geringsten zu schaden. Nach der kleinen Stärkung auf der Rotheidehütte begann die Wanderung durch das Gebiet des Almrausches, Speikes und der Kohlröslein über das Türkenkreuz zur Streitwiese bei schönem Wetter. Ja, da wurden wir es inne: „Auf den freien lichten Höhen, auf den Bergen ist es schön.“ Anknüpfend an Geschichte und Sage, die sich an diese Orte knüpft, hielt der geistliche Prozessionsleiter beim Türkenkreuz und auf der Streitwiese kurze Ansprachen über das Thema: „Überall in der Natur siehst du des großen Gottes Spur, doch willst du ihn noch größer sehen, so bleib an seinem Kreuz stehen.“

Das Türkenkreuz erinnert an die gefahrvolle Zeit der Türkenkriege im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts. Der Sage zufolge war der fromme Peter Latenecker, Schmied in Hüttenberg im Jahr 1535 von den Türken an einer um den Hals gelegten Kette bis hierher geschleppt worden, wo er dann infolge seines Gelöbnisses durch die Erbarmung der Mutter Christi wunderbar erlöst worden ist. Er erfüllte der Sage nach hierauf sein Gelübde, indem er an jener Stelle, an der er seiner Fesseln entledigt war, ein Kreuz errichten Etwa 300 Meter höher sahen wir rechts von uns das Schutzhaus am Zirbitzkogel, als wir den Quellbach der Lavant überschritten. Zu unserer Linken gab es gewaltige, reich bewaldete Bergzüge, die sich gegen das Lavanttal hinauszogen. Von der Streitwiese aus erblickten wir zum ersten Male Maria Waitschach bei Hüttenberg. Die Pilger fielen auf die Knie und begrüßten von der Ferne das Bild der Gnadenmutter. Beim Überschreiten der steirisch-kärntnerischen Grenze gewinnt man einen schönen Überblick über das Neumarkter Becken und der Kirchturm von St. Margarethen am Silberberg lugte neugierig vom Tal zu uns herauf. Unter froher Stimmung stiegen wir ab nach St. Martin, wo eine hl. Segensandacht stattfand und das Mittagsmahl eingenommen wurde. Unter Begleitung des liebenswürdigen Pfarrers von St. Martin begann unter Gebet der Aufstieg zum Ziel unserer Wallfahrt. Der Pfarrer von Maria-Waitschach kam unter Assistenz von drei Priestern mit Fahnenträgern und weiß gekleideten Mädchen. Unter Gebet, Glockengeläute und dem Krachen der Pöller zogen wir in die Wallfahrtskirche ein, wo eine feierliche Segensandacht stattfand. Weitaus die meisten, vielleicht alle Pilger empfingen die hl. Sakramente am Gnadenort.

Maria Waitschach
Marienaltar

Die Kirhe zu Maria Waitschach liegt in 1200 Meter Höhe. Ihrem Stil nach gehört die Kirche der ausgehenden altdeutschen, gotischen Bauart an. Die Spitze des Turmes fiel einst dem Erdbeben zu, Opfer.. Neben dem der Mutter Gottes geweihten Hochaltar der 1670 entstand, steht ein steinerner Lichtbehälter in Form einer gotischen Pyramide. Das prachtvolle Steinmodell ruht auf einer kurzen, schlanken Säule und diente als Sanktuarium zur Aufbewahrung des Allerheiligsten.

Am Sonntag hielt unser geistlicher Pilgerführer unter Assistenz von vier Priestern die feierlichen Initien und zelebrierte das assitierte Hochamt für die Judenburger Pilger. Interessant ist in der Kirche Maria-Weitschach das große Votivbild mit der alten Stadt Judenburg, gewidmet von den Bürgern Judenburgs aus Dankbarkeit für wunderbare Hilfe der Gottesmutter aus großer Not. Kunsthistorisch wertvoll ist auch das schöne, neu restaurierte Sakramentshäuschen auf der Evangeliumseite neben dem Hochaltar.

Um 3 Uhr nachmittags hieß es wieder Abschied nehmen von dem uns so rasch teuer gewordenen Seelenkurort. Es ließ sich da so gut beten in der Gnadenkirche, gar mancher hat hier den Seelenfrieden wieder gesunden und sich Trost und Kraft geholt für neue Kämpfe und Leiden. Reichlich flossen die Tränen bei den Abschiedsansprachen. In St. Martin bekamen 20 arme Pilger zum Nachtmahl und Frühstück Kaffee, Tee oder Suppe vom guten Pfarrer umsonst, wofür ihm hiermit herzlichst nochmals gedankt sei.

Am Montag dem 2. Juli, um 2 Uhr früh, war in St. Martin hl. Seelenmesse, während der über 100 Pilger zur hl. Kommunion gingen. Als Judenburger Pilger haben wir überall freudige Aufnahme gefunden.

Am 8. Juli 2022 fand zum 144 Mal, die Wallfahrt der Judenburger Bürger, die alle 3 Jahre statt findet,, nach Maria Waitschach nach Kärnten um ihr Gelübde einzulösen.

QUELLEN: Murtaler Zeitung, 13. Juli 1935, S 9, Bilder, 14. Juli 1923, S 5 ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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