FRIEDRICH VON FLOTOW#

Komponist
Friedrich von Flotow

„Martha“ und „Alessandro Stradella“ sind jedem Musikliebhaber ein Begriff und Friedrich von Flotow wurde mit diesen beiden Opern sehr berühmt mit „Martha“ sogar unsterblich. Es gab keinen Tenor der nicht die wunderbaren Arien daraus in sein Repertoire aufnahm um damit zu glänzen.

Aber ist auch bekannt, dass der im Jahr 1811 auf dem Gut seines Vaters in Teutendorf, bei Rostock, geborene Friedrich von Flotow in den Jahren von 1868 bis 1880 hier in Wien in einem Landhaus in Sievering lebte und komponierte?

Alle seine Kompositionen hatten ihre Erfolge, den ersten großen Wurf aber, der Flotow gelang, bedeutete „Stradella“, der Ende 1844 in Paris gegeben, rasch seinen Weg über alle Bühnen machte, und namentlich in Deutschland den Namen des begabten Landsmanns in aller Mund brachte.

Flotow hatte es nach dem Siegeszug Stradellas nicht mehr nötig, unter Pariser Flagge zu segeln, und trat nun als deutscher Komponist auf.

Mit „Alessandro Stradella“ hatte Flotow seinen Ruhm begründet. Auf Grund dieses Erfolges erhielt er den Auftrag von der Wiener Oper eigens für die kaiserliche Hofbühne ein neues Werk zu komponieren. Und dieses Werk war „Martha“ die am 25. November 1847 in Wien uraufgeführt wurde eroberte sie mit ihrer üppigen Melodienfülle, mit den eleganten feinen Formen, der pikanten Instrumentation, dem liebenswürdig heiteren Charakter der Handlung alsbald wie selten eine Novität das weiteste Terrain, und wo sie hinkam, war ihr eine günstige Aufnahme gewiss.

Wie dauerhaft und unverwüstlich der Erfolg der „Martha“ sein sollte, ahnte man damals wohl nicht, denn tatsächlich gibt es auch heute keine deutsche oder fremde Opernbühne wo nicht jährlich mindestens einmal „Martha“ wiederkehrt. Tatsächlich war und blieb aber auch diese Oper der Glanzpunkt der Tätigkeit und der Erfolg Flotows, und keines seiner späteren Werke auch nur annähernd einen Erfolg errungen der sich mit „Martha“ messen konnte.

Wäre Herr von Flotow ein praktischer Mensch gewesen, so würde er über die meisterlich gelungene Dupe vergnügt ins Fäustchen gelacht, die Feder mit der er die Martha schrieb, in einem goldenen Etui verwahrt, zu den Lorbeer Kränzen gelegt, und sie nie wieder berührt haben. Und Herr von Flotow wäre der berühmte Komponist der berühmten Martha geblieben. Aber Herr Flotow war kein praktischer Mann, er fühlte es nicht, dass der Korb bis auf den Grund geleert sei. Der Jubel des ersten Erfolges ließ ihn nicht ruhen, und frevelnd versuchte er die Götter zum zweiten Male. Von diesem Augenblick aber gestaltete sich seine Bahn zu einer rückläufigen. In jedem neuen Opus wurde er matter, die Indra zeigt einen bedeutenden Abfall gegenüber Martha. (Blätter der Musik)

Endlich ist die oft erwähnte Oper des populären Meisters von Flotow „Indra“, romantische Oper in drei Akten, zur Aufführung gekommen. Zehnmal wurde der Komponist bei der ersten Aufführung und sechs Mal bei der zweiten von dem Publikum gerufen; eine Auszeichnung, die in der gegenwärtigen Periode sehr selten geworden, die zugleich einen kleinen Beleg für den Wert der Oper gibt.

Flotow, der in seinen beiden Werken Martha und Stradella mehr der volkstümlichen Musik sein Talent widmete, hat bereits in der „Großfürstin“ die romantische Richtung eingeschlagen und nun in seinem neuesten Produkt „Indra“ dieselbe beibehalten. Bevor wir jedoch in die Charakteristik der Musik eingehen, müssen wir uns ein wenig bei dem Libretto „Putlitz“ aufhalten, der eine Episode aus dem Leben des begeisterten Luisiaden Dichters Camoens zum Vorwurf seines Sujets genommen hatte. In neuerer Zeit sind gute Librettis Mangelware geworden, das nun von Herrn Putlitz geschriebene gehört unstreitig zu den gelungenen der Gegenwart. In leichten, duftigen Bildern fließen die Verse dahin, die Situationen sind geschickt gestellt und lassen dem Komponisten ein schönes Feld für seine Auffassung und Befähigung, welches Flotow in seiner bekannten genialen Weise zu benützen wusste. Die Oper zählt dreiundreißig Nummern.

Paris
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Eine kurze Indroduktion eröffnet den Reigen. Unmittelbar darauf folgt ein sehr frischer Chor in E Dur 3/8 spanische Anklänge an sich tragend, an den sich das Lied Joses in C Dur ¾ schließt, Der Chor der Gauklerinnen, in E Moll 2/4 repräsentiert durch seine eigentümliche Instrumentierung, in der besonders zwei Piccolo, Oboe und Klarinette hervortreten, den indischen Charakter, und bildet den Eingang zu der sehr wirksamen und meisterlich angelegten Schlangenszene; Flotow behandelte dieselben durchgehends dramatisch. Er beginnt mit den Kontrabässen um das Schwanken der Palmen, die Ruhe des Waldes zu versinnlichen, die Violinen con sordine und pp., treten ein um in sanften Ligaturen das Murmeln der Quelle auszudrücken, die Bewegung steigert sich vom crescendo in ein fortissimo und prestissimo übergehend malt er das Verderben, welches die Bewohner des Waldes über den Fremdling ausbreiten. Plötzlich geht er in einer reizenden Melodie von B Dur nach Ges d Dur, die Glöcklein ertönen, dazwischen rauschen die sanften Klänge der Harfe, bis endlich die Harmonie und Chor die Szene beschließt....

Die Oper enthält viele Schönheiten, die aber durch die Fülle derselben erdrückt werden. Eine gute Lehre für Komponisten ist in dieser Oper enthalten, denn nach der zweiten Aufführung blieben sieben Nummern teils weg, teils wurden sie gekürzt. Die Musik ist mit so vielem Geschmack, mit so routinierter Kenntnis gemacht, dass sie nie an Interesse verliert: Flotow ist in jeder dieser Noten Flotow. Bei der ersten Vorstellung mussten fünf Nummern auf stürmisches Verlangen wiederholt werden. Die Sänger: die Damen Rey und Wilbauer , die Herren Ander, Erl und Staudigl führten ihre Partien mit besonderer Liebe aus und trugen durch ihre vorzügliche Leistung viel zu der glänzenden Aufnahme bei. Kapellmeister Esser überwachte mit Sorgfalt die Aufführung, welche durch eine glänzenden Ausstattung und Inszenesetzung bedeutend gewann. Sämtliche obgenannten Künstler wurden im Verein mit dem Komponisten sowohl am ersten wie auch am zweiten Abend rauschend und oftmals gerufen. Dass die „Indra“ Repertoire Oper geworden, versteht sich von selbst. (Bremse, Musik Zeitung)

K.k. Hoftheater nächst dem Kärntnertor, Aufführung von „Indra“ 21. Dezember 1852. : „Martha“ , welche mit einem durch ihre Frische erhaltenen Reize der Neuheit in Spielplan weilt, begrüßt eine eben erst angekommene, gleichfalls schmucke, mit allen Eigenschaften des Gefallens ausgestattete Schwester in „Indra“. Das englische Fräulein und das indische Mädchen ziehen sich erstens als Wahlverwandtschaft, zweitens in Folge des Länderbandes an, welches England mit Indien über die Meere hin verknüpft. Aber auch der italienische Sänger Stradella wird den portugiesischen Dichter Camoens freundlich die Hand reichen. Armer Sänger der Lusiade! Wir finden ihn da wieder neben dem König in Elend gehen! Aber was liegt daran, wenn man sein Leben im Spital ausröchelt, winkt einem nicht dann die Unsterblichkeit eines Helden im Drama, im Liretto! Entschädigt das Mitleid eines nachweltlichen Theaterpublikums nicht für die Gleichgültigkeit, die Schadenfreude der mit weltlichen Menschheit!...

Flotows Parole bei diesem Werk war: viel Melodie. Er macht sie gern leicht geschürzt, pikant, hüpfend, flatternd, und selbst wenn sie die Empfindung tragen soll, in fasslicher, daher schlanken Gestalt. Der Vorteil bei dieser Formung ist, dass man selten in die Aufbauschung, Aufblähung und Schwerfälligkeit verfällt. Wer bei dieser Weise zu weit die Zügel schießen lässt, der kann sich freilich auch leicht verflachen; aber bei einem Komponisten wie Flotow mit so viel Routine und so viel Mitgabe einer deutschen Natur ist das nicht zu besorgen. Flotow bewies schon früher in vielen Weisen, wie diese seine Form sich zum geschmeidigen und elastischen Gefäße der Gefühlsströmung machen lässt und er beweist es jetzt in diesem seinen Werke abermals. Eine neue Oper, eine deutsche Oper und eine Kassa Oper!

Blätter der Musik Februar 1856: „Herrn von Flotow ist der erste Wurf gelungen, Seine Idee, die französische Vaudeville Oper auf deutschen Boden zu verpflanzen, war zwar nicht groß , aber seiner Zeit neu. Die Gabe eine gewisse Art sentimentaler Melodie von winziger aber gefälliger Gliederung zu schaffen, das Geschick, diese Melodie in scharfen Konturen, sinnlich anregende Rhythmen zu kleiden, sorgsame, in den Details fleißig polierte im Ganzen zart gehaltene oft charakteristische Instrumentierung – waren der Materialien, aus welchen Herr Flotow seine „Martha“ konstruierte. Dabei kam ihm eine durch längeren Aufenthalt bei französischen Bühnen erworbene Routine hinsichtlich des „Gehörigen“ im Maße der Ausdehnung und des äußerst wirksame Libretto vortrefflich zustatten.

Was endlich dem großen Publikum gegenüber den Sieg der Martha vollenden half, war die Menge der Melodien, die ihm darin Schlag auf Schlag geboten wurden, und worin Flotow den Italienern sogar den Rang abzulaufen schien. Kaum war ein Motiv verklungen, schon stand ein zweites da. Das konnte auch bei der aphoristischen Kürze seiner Melodien nicht anders sein, denn selbst, was er für Arien ausgibt, sind durchgehends nur Couplets.

Ein wichtiger Umschwung im Leben Flotows äußerer Lebensstellung vollzog sich im Jahr 1856, als der Großherzog von Mecklenburg Schwerin in zum Intendanten der Hofmusik und des Hoftheaters in Schwerin ernannte, welchem Posten er mit wahrhaft künstlerischen Zielen, mit größter Umsicht und tiefem Verständnis bis 1863 vorstand. Während dieser Zeit hatte er zumeist Gelegenheit Kompositionen wie Fackeltanz, eine Jubel Ouvertüre usw.

Nachdem Flotow wieder einige Jahre in Paris verbrachte übersiedelte er nach Wien um hier sein Glück zu versuchen. Neue große Erfolge blieben nun aus. So musste Flotow noch in der Vollkraft seines Schaffens von den Triumphen seiner früheren Werke zehren, und nur durch diese erhielt er sich im steten innigen Kontakt mit der Bühne. Durch die vielen und längeren Aufenthalte in Paris war Flotow mehr Franzose als Deutscher in der Komposition, er war der ins Deutsche übersetzte Auber, mit welchem er melodiösen Reiz, Eleganz, und Pikanterie gemein hatte. Deutsche Gründlichkeit vermisste die Kritik bei ihm.

Imposant war Flotows Persönlichkeit, eine wahrhaft Goethe Gestalt, welche auf den ersten Bick den Mann von Bedeutung verriet.

Zu Anfang der siebziger Jahre lebte Flotow mit seiner reizenden und interessanten Gemahlin zweiter Ehe und seinem geistig äußerst geweckten Sohn aus erster Ehe in Wiener Neustadt und verkehrte viel und mit Vorliebe in der Neustädter Militär Akademie, welcher Schreiber dieses damals als Zögling angehörte. Gern und oft promenierte er in den herrlichen Anlagen des Akademie Park und nahm die Huldigungen der Professoren und Zöglinge, die mit seinem Sohn vielfach im kameradschaftlich herzlichen Verkehr standen, mit besonderem Vergnügen entgegen. Mit Freude erinnere ich mich einer Stunde, da ich mit noch einem Kameraden am Klavier des Akademie Tanzsaales sass und die unvermeidliche Martha Ouvertüre vierhändig spielte. Flotow hatte seine Martha trotz alldem erkannt, trat in den Saal und ließ sich mit Engelsgeduld die Ouvertüre noch einmal vorspielen und griff schließlich selbst ein. Wie ich das zuwege gebracht, neben Flotow zu spielen, weiß Gott – gebebt haben meine Hände sicherlich genug.

In seinen letzten Lebensjahren lebte er in Darmstadt. Dort trafen den geistig allzeit regen, kräftigen Herrn, dessen reckenhafte Gestalt majestätisch emporragte, die Beschwerden des Alters und einer der größten Schicksalsschläge, Erblindung auf beiden Augen, hatte er zu tragen. Er überlebte dieses Unglück nicht lange. (Oskar Teuber)

Friedrich von Flotow ist am 24. Jänner 1883 in Darmstadt, wo er bei seiner greisen Schwester lebte, gestorben. Er hinterlässt eine Witwe, sowie einen Sohn und eine Tochter.

QUELLE: Radio Wien 11. Juli 1927 S 16, 2. Juli 1928 S 18, 23. August 1926 S 15 und Bilder ANNO Östereichische Nationalbibliothek

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