FRIEDRICH SERTÜRNER#

Forscher
Friedrich Sertürner

Das Verdienst, die erste vegetabilische Base als solche erkannt und gewürdigt zu haben, gebührt nach allem unstreitig dem Apotheker Dr. Friedrich Sertürner.

Friedrich Sertürner wurde am 19. Juni 1783 als Sohn eines fürsterzbischöflichen Inspektor in Neuhaus bei Paderborn geboren, drei Jahre vor dem Tod seines größeren Vorgängers C. W. Scheele, und trat nach Absolvierung der nötigen Vorstudien beim Hofapotheker Kramer in Paderborn 1799 in die pharmazeutische vierjährige Praxis ein. Bereits während seiner Lehrzeit hatte sich Sertürner mit dem Opium beschäftigt, denn von allen Stoffen der Offizin zog ihn das Opium am meisten an. Durch Paracelsus war Opium wieder zu Ansehen gekommen.

Zwei Jahre nach Beendigung seiner Lehrzeit 1805 wagte Sertürner an den Herausgeber des „Journal der Pharmazie“ Dr. Johann Bartholomä Trommsdorff zwei Briefe zu schreiben, die dieser sogleich veröffentlichte. Das Thema der Briefe „Säure im Opium“ und weist darin nach, dass im Opium eine freie Säure existiert, die von den bis jetzt bekannten Pflanzensäuren verschieden seien. Trommsdorff reagierte vorsichtig.

Im Frühjahr 1806 verließ er die Stadt seiner ersten und zugleich wichtigsten Erfolge.

In den Jahren 1806 bis 1817 wirkte er in Einbeck als Mitarbeiter in die Apotheke Hink ein. Auch hier befasste er sich mit wissenschaftlichen Fragen diesmal galt seine Aufmerksamkeit dem Galvanismus. Eine äußerst wichtige Feststellung die er machte war, dass die Ätzalkalien die Verbindung eines Metalls mit Sauerstoff seien. Diese Überlegung und der Morphium Entdeckung sicherten Sertürner den Platz unter den bedeutenden Chemiker des beginnenden 19. Jahrhunderts. Wieder reichte er seine wissenschaftliche Arbeit ein um veröffentlicht zu werden. Doch der Schriftleiter des „Journals der Chemie“ Gehlen beging den Fehler die Arbeit Sertürner abzuweisen. Erst durch den Engländer Davy wurde seine Entdeckung bestätigt.

.Als wenig später in Einbeck von der französisch-westfälischen Regierung eine zweite Apotheke eröffnet wurde, übernahm er deren Leitung. Im Jahr 1820 wurde er in die Ratsapotheke nach Hameln berufen. Dort verblieb er bis zu seinem Tod am 20. Februar 1841.

Seine Experimente an sich und vor allem an Hunden führte er weiter und entdeckte, dass das Schlaf wirkende Prinzip des Opiums dem basischen Bestandteil des Opiums eigen war. Der Base verlieh er den Namen des Traumgottes Morpheus. Die isolierte Säure aus dem Opium nannte er Mekonsäure die wie er feststellen musste sehr giftig war. Seine Aufmerksamkeit galt auch dem Ätherprozess die wesentlich klärte indem er die Bildung der Äthylschwefelsäure als Zwischenprodukt feststellte. Besonders interessant war seine Vermutung, dass der Krankheitserreger der Cholera ein lebendes Wesen sei, und diesen Erreger als Bakterie prognostizierte.

Die wissenschaftlichen Leistungen des Apothekers sind nicht unerkannt und unbelohnt geblieben. Seine Entdeckung der Opiumbasis trug ihm die Ernennung zum Ehrenmitglied der Jenaer Gesellschaft für Naturwissenschaft und Medizin, deren Vorsitzender damals der Dichterfürst Goethe war, ein. Die Universität Jena ehrte ihn durch Verleihung der philosophischen Doktorwürde. Das Institut de France sprach ihm einen Preis von zweitausend Franken zu.

Die Entdeckung des Morphins war für die Pharmazie bedeutungsvoll, hochwirksame Arzneien kamen hinzu und so entstand allmählich die pharmazeutische Industrie

Sertürner betätigte sich außerdem als Fachschriftsteller und gründete eine eigene Zeitschrift. „System der chemischen Physik“ beschrieb er in zwei Bänden in den Jahren 1820 bis 1822.

Dass er in der Heimat nicht die Anerkennung fand die er sich erhofft hatte, verbitterte ihn immer mehr.

Doch mit dem französischen Physiker Gay-Lusac, der Sertürners Forschungen alsbald die Bedeutung zukommen ließ, die dieser längst verdient hätte. Frankreich war damals das Zentrum der chemischen Forschung gewesen.

Als 1834 vom Osten aus die Cholera auf ganz Europa auszubreiten drohte, verfasste Sertürner für das Volk zwei Aufklärungsschriften. Der Erreger der Cholera ist ein giftiges, belebtes, also sich selbst fortpflanzendes oder erzeugendes Wesen. Von großem Interesse war die Feststellung über das Wesen der Cholera und ihrem Erreger, die er richtig erkannt und daher seiner Zeit weit voraus war

Seine Vielseitigkeit beweisen all die Veröffentlichungen der nachfolgenden Jahre:

Über die Verwandtschaft einiger Körper durch Alkalien. Über die wirksamen Stoffe verschiedener Arzneimittel des Tier- und Pflanzenreiches. Über das wirksame Prinzip der Chinarinde. Über die tierische Kohle. Über Curcumawurzel, Angosturarinde, Galläpfel, Borax usw.

Sein Interesse galt aber auch den Geschützen und Geschosswirkungen.

Eine weitere große Enttäuschung war, die Wegnahme der Apotheke in Einbeck durch die Hannover Regierung, da er diese während der Franzosenzeit erhalten hatte. Auch eine Wiederwahl als Verwalter, die auf ihn fiel wurde von der Landesbehörde nicht anerkannt. Erst 1820 konnte er sich bei der Regierung durchsetzen und die Ratsapotheke in Hameln übernehmen und wo er 1821 mit dem Fräulein von Rettburg Hochzeit feierte und mit ihr sehr glücklich geworden sein soll..

In den nachfolgenden Jahren ernannten ihn die Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn, die wissenschaftlichen Gesellschaften von Marburg, Berlin, Batavia, St, Petersburg, Paris, Lissabon und endlich 1840 als letzter der Apothekerverein von Norddeutschland zu ihrem auswärtigen Mitglied.

Viel zu früh, am 20. Februar 1841, mit 58 Jahren nahm er von seiner wissenschaftlichen Tätigkeit Abschied.

Das Jahr 1846 wurde zum Sertürner Jahr erklärt. Dann geriet der große Wissenschaftler in Vergessenheit. Hofrat Dr. Stich entdeckte 1917 seinen Sarg und sorgte für eine würdige Aufbahrung. Sein Geburtsort Neuhaus ehrte ihn 1921 durch die Herausgabe von Notgeldscheinen auf diesen sein Bild zu sehen war. 1928 riefen seine Freunde zu einer Ehrenspende auf um sein Geburtshaus der Nachwelt zu erhalten und daraus eine Gedenkstätte zu schaffen. Außerdem wurde eine Denkmünze zur Erinnerung an Sertürner ausgegeben die jedes Jahr an einen außergewöhnlichen Apotheker verliehen wird.

Sertürners Name ist unsterblich geworden, durch sein Wissen wurde die Menschheit von Schmerzen befreit.

Die Droge Opium war der Inbegriff der holden Schlummersäfte. Heinrich Heine hat in seinem Gedicht „Morphine“ indem er das Heilmittel in einer schönen Jünglingsgestalt personifiziert, auf seinem Schmerzenslager die poetischen Worte dafür gefunden hatte.

Zu dieser Zeit dachte man nicht an die Gefahren der Sucht, denn die Bevölkerung hatte von diesen Neuentdeckungen kaum eine Ahnung außerdem für sie kaum leistbar. Erst mit der industriellen Herstellung wurde dieses Mittel billiger. Morphin wurde vorerst nur oral eingenommen bis dann 1844 Charles Gabriel Pravaz, ein französischer Chirurg und Orthopäde, dem die Injektionsspritze zu verdanken ist. Das Schmerzmittel wurde immer wichtiger, besonders im Krieg für Soldaten benötigte man einen großen Verbrauch.

Vielleicht erkannte man die Gefahren mit Morphin zu spät, alle Warnungen waren vergeblich die Körper und Geist schädigten. Im Gegenteil es wurde gesellschaftsfähig und das nicht nur in der Künstlerwelt.

Der Chemiker Albert Nieman entdeckte 1860 das Kokain. Der Österreicher Karl von Scherzer brachte von der berühmten Novara Expedition einen Ballen Kokablätter mit.

1912 wurde in Den Haag eine internationale Opium Konferenz abgehalten, doch der Erste Weltkrieg hinderte die Bestimmungen des Abkommens durchzuführen.

Obwohl die gefährlichen Drogen nur rezeptpflichtig zu bekommen waren, versuchten Händler durch Einbrüche in Drogengroßhandlungen an das begehrte Mittel zu kommen.

1928 hatte es in Paris bereits 50.000 Morphinisten gegeben. Vor Jahrzehnten hat der bekannte Berliner Pharmakologe Lewin darauf hingewiesen, dass wenn der Alkohol die Hände, das Morphium den Kopf des Volkes vernichten kann; Neugierde und Nachahmungssucht die bald zu der nackten Begierde nach subjektivem Wohlbefinden führen haben viele Personen zum Sklaven im Gebrauch des Morphiums gemacht. Das Mittel wird zum Fluch, wenn es wahllos zum Schmerztilger zur Verteilung kommt und zur Erlangung von Lustgefühlen auch nach Beseitigung der Schmerzen gebraucht wird. Es stiftet segensreiche Linderung den Schmerz durchwühlten unheilbaren Kranken; die Süchtigen aber, wenn sie nicht geheilt werden, was vor Kahles Methode in etwa 80 bis 90 %, die auf das Mittel zurückgriffen der Fall war, zahlen als Tribut für den Gebrauch des Morphiums mit ihrer Gesundheit und oft mit ihrem Leben.

QUELLEN: Pharmazeutische Post 2. April 1905, S 1, Bilder S 1 und 3, Pharmazeutische Presse 26. Februar 1916, S 1,, 1. Juli 1933, S 2, Pharmazeutische Post 7. Jänner 1928, S 4. ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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