FRANZ JOSEPH I. UND DIE KUNST#

width=
Kaiser Franz Joseph I. ÖNB

Der ausgeprägte Sinn für Kunst und Kunstgewerbe des Österreichischen Herrscherhauses widerspiegelt sich zu allen Zeiten in ihrem Erbe, dass sie uns hinterlassen haben. Das feine Verständnis für die Kunst und ihre Werke, der gute Geschmack, der kritische Blick hat sich bei allen Gelegenheiten kund getan, in jeder Form ob Vergangenheit oder Gegenwart. Die Kunst nicht nur in Österreich sondern in der gesamten Monarchie ist mit dem Kunstsinn der Regentenfamilie eng verbunden.

Jedermann, der einmal sich der Geschichte der Tonkunst gewidmet, weiß, was die Kirchenmusik der Förderung Maximilian I., und Ferdinand I., zu danken hat, oder dass die hohe Ausbildung der Oper eine direkte Folge der Bestrebungen und der liebevollen Pflege Ferdinand III., und Leopold I., ist. Wer in der Geschichte der Poesie nachforscht, dem wird der Zusammenhang der Dichterkrönungen und der Stellung nachmalige Hofpoeten mit dem Stand der Dichtkunst in unserer Zeit sich bald zeigen, und wer endlich die Entwicklung der dramatischen Kunst in Österreich verfolgt, dem kann der mächtige Einfluss, welchen Maria Theresia und Josef II., durch die ausgiebige Förderung dieses Kunstzweiges auf die weiteren Bestrebungen und die Klärung ausübten, unmöglich verborgen bleiben.

Bei all diesen Künsten kann sich aber der fördernde, belebende Sinn des Herrscherhauses der Gegenwart nicht mehr in seiner vollen Bedeutung klarstellen; denn die Werke dieser Fächergruppen entziehen sich bald der allgemeinen Beurteilung, schwinden dem Volk aus dem Aug und erhalten sich nur in den verschlossenen Sammlungen der Bibliothek und Archive, wo sie, der Allgemeinheit unzugänglich, nur mehr den Fachmann daran erinnern, dass sie im Zusammenhang ein Bild geben jenes fördernden Sinnes, der in der vergangenen Zeit vom Hof aus auf Adel, Klerus und Bürgerstand überging und dann in der Geschichte als allgemeine kulturelle Wandlung aufgezeichnet wird.

Weitab sichtbare bleibt hingegen dem Volk der Sinn der Dynastie für die bildende Kunst; denn deren Werke erhalten sich unserer Prüfung und wir vermögen daran zu beurteilen, welche Förderung diesem Kunstzweig im Laufe der Jahrhunderte zu Teil wurde. In diesem Sinne dürfen wir Österreicher mit Stolz um uns blicken; wer nur einmal mit verständnisvollem Sinn die Monarchie durchstreift, dem muss es klar sein, dass es nur edlem.geklärtem Kunstsinn und wahrhafter Begeisterung für das Schöne gelingen konnte, so Großes zustande zu bringen, und dass andererseits nur der Trieb, die Kunst und ihre verwandten Gebiete zu heben und förderlich zu unterstützen, die Veranlassung zur Ausführung solch bedeutungsvoller Werke sein könne.

Sehen wir ab von den kaiserlichen Schlössern und Sammlungen, welche im Land zerstreut sind; eine Wanderung in den Straßen der Residenz, ein Blick auf die imponierenden Kirchenbauten, auf die kaiserlichen Sammlungen belehrt uns, wie mächtig der Sinn für die Kunst stets in der Habsburgischen Dynastie aufgetreten ist.

Die bildenden Künste fanden aber in der Familie des habsburgischen Fürstenhauses nicht nur die Zufluchtstätte, sie wurde da nicht nur unterstützt und gepflegt, sie wurden auch selbst geübt. Wir stellen aus der Reihe dieser Fürstenfamilie Architekten, Kupferstecher, Aquarell- und Ölmaler in die kunstgeschichtlichen Tafeln, ja auch das Kunsthandwerk hat seine Vertreter, und dass endlich das Zeichnen zu den obligaten Unterrichtsgegenständen bei Hofe gezählt wurde, ist ja bekannt.

Wien
Interessante Blatt

Frühzeitig hat sich nun der Kunstsinn unseres Monarchen schon in festeren Formen gezeigt, und mag das vielseitige Studium der Wissenschaften und Sprachen auch das Haupt-Interesse des Erzherzogs in Anspruch genommen haben, so blieben die bildenden Künste doch nicht ohne Pflege, und schon während des Unterrichtes im Zeichnen trat das künstlerische Talent des Prinzen entschieden hervor und entwickelte sich immer sicherer. Als der jugendliche Erzherzog 1846 eine Reise nach Italien unternahm, füllte er sein Skizzenbuch mit vielen Zeichnungen, von welchen einige später in lithographischer Vervielfältigung zu einem Erinnerungs-Album zusammengestellt wurden.. Es sind dies Figuren und Szenen aus dem Volk; treffliche Typen in malerischer Tracht. Wir sehen also auch hier, dass die bildenden Künste in Österreichs Fürstenfamilie nicht nur gepflegt, sondern wirklich auch geübt werden.

Jenem angeborenen Kunstsinn haben nun Österreichs Künste und Kunstgewerbe die mächtige Förderung zu danken, welche sie zu ihrer heutigen Höhe führte. Seit den Zeiten Carl VI., es es keinem Fürsten Österreichs mehr gegönnt, einen so tief wurzelnden Kunstsinn erblühen zu sehen, eine so fruchtbar gestaltende Kunstbewegung im Land zu erkennen. Mit Stolz, mit Bewusstsein dürfen wir heute unserer Kunsttätigkeit erwähnen, nachdem sogar das Ausland die hohe Stellung derselben anerkennt.

Die Künste und Kunstgewerbe Österreichs haben sich in den letzten zwanzig Jahren zu nie geahnter Höhe hinaufgeschwungen, und der Sinn des Volkes sich gehoben, das Verständnis sich erweitert und geläutert

Österreichs Kunst und Kunstgewerbe ist eben wieder erstanden nach langjährigem Schlummer: die Wiederbelebung aber ist das hohe Werk unseres erhabenen Monarchen.

Seiner Liebe zur Kunst, zum Schönen verdankte der Staat schon in den ersten Jahren der Regierung wichtige Förderung des künstlerischen und kunstgewerblichen Lebens und monumentale Werke. Sein empfänglicher Sinn, sein sicherer Blick in die Zukunft hat die Festungswerke der Residenz fallen und an ihrer Stelle sich den herrlichsten Kranz monumentaler Bauten erheben lassen. Diese mächtige Quelle hat das Kunstleben Österreichs neu belebt, und unter der weiteren Förderung des Monarchen entstehen nun allseits Pflegestellen der Kunst und des Kunstgewerbes. Die Bestrebungen auf diesen Gebieten greifen immer weiter, gewinnen immer größere Bedeutung und letztere Form, bis sie endlich im harmonischen Zusammenklang Werke schaffen, die für alle Zeiten Zeugnis bleiben unseres Könnens und Empfindens.

Wie in den besten Zeiten der Vergangenheit ist der Kunstsinn wieder zum Gemeingut geworden, ist die Kunst und das edle Gewerbe wieder zum blühenden, formenreichen Stil zurück gekehrt; wir sehen auf allen Gebieten der bildenden Künste Meisterliches schaffen, sehen monumentale Bauten großartigster Anlage und gelungenster, Stil reinster Ausführung in langer Reihe emporwachsen, sehen das Handwerk den goldenen Boden der zierlichen, gewinnenden Form betreten, sehen Kunstsinn und Geschmack in die Familie, in den Wohnraum des Bürgers ziehen - erkennen also überall das Wieder erblühen der Künste und des kunstvollen Handwerks.

Franz Joseph, dessen hoher Sinn, dessen wahrhafte Fürsorge, dessen Liebe zur Kunst diesen glücklichen Umschwung hervorgerufen, dem Kunst und Kunstgewerbe ihr Erblühen danken, wird die Kunstgeschichte stets als den Wiederbeleber der Künste und Kunstgewerbes nennen, und steht mit dem Wohlstand des Staates in innigem Zusammenhang.

QUELLE: Österreichische Kunst Chronik, 25.April 1879, S 7, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp