FORSCHUNGSREISENDER#

Forscher
Karl Diener

1893: Vor einigen Tagen erstattete Dr. Diener in der Geografischen Gesellschaft seinen Bericht über die im vergangenen Jahr im Auftrag der österreichischen Regierung unternommene Forschungsreise. Dieselbe hatte jene Mittelpartie des Himalayagebirges zum Ziel, in welcher nordwestlich von Nepal die Nordwestprovinz von Britisch Indien an Tibet stößt. Von der letzten Bahnstation in der Ebene, Muradabad, hatte unser Forschungsreisender sich nach Almora gewandt, einer sogenannten Talstation, die, am Fuß des gewaltigen Gebirgszuges selbst schon 1677 Meter über dem Meer gelegen, als eigentlicher Ausgangspunkt der Expedition betrachtet werden kann. Hier wurde die Karawane für die Bergpartie zusammengestellt: 7 Diener, 1 Koch, 85 Träger und 6 Kuriere. Die Letzten waren von der indischen Regierung gewissermaßen als Quartiermacher und Beschaffung frischer Kulis auf späteren Stationen dem Reisenden beigegeben. Ein Kuli bezieht als Normallohn 2 ½ Kreuzer pro Tag, ein Lohn, der nur anscheinend gering ist, bei den Lebensverhältnissen im Himalayagebiet, wo ein solcher Mann mit dem Wert des Geldes von 1 ½ Kreuzern schon gut lebt, aber durchaus keine Bedrückung oder Ausbeutung bedeutet. In Almora, wo Dr. Diener am 14. Mai eingetroffen war, gab es wegen der daselbst herrschenden Cholera einen Aufenthalt von drei Wochen, und das war der Anfang der vielen und großen Schwierigkeiten,, die sich der Forschungsreisende entgegenstellten. Zu den weiteren gehörte namentlich das schlechte Wetter. Man denke nur, dass der August 26 Regentage mit sich brachte und bis zum 20. September weitere 17 Regentage folgten. So litten denn auch die wissenschaftlichen Forschungen nicht so sehr unter den atmosphärischen Einflüssen, die in der Höhe von 17- bis 19.000 englischen Fuß Dr. Diener eine erhöhte Herztätigkeit und Atembeschwerden bereiteten, als unter dem stürmischen und regnerischen Wetter-Sturm stellte sich fast täglich ein; er begann morgens, wuchs bis Mittag zu orkanartiger Stärke und legte sich in der Regel erst abends wieder, wenn den Reisenden die Möglichkeit zu weiterem Arbeiten ohnehin genommen war. Trotzdem gelang Dr. Diener die Aufnahme einer großen Anzahl technisch vollendeter Fotografien, die am Vortragsabend in Verbindung mit einigen Jagdtrophäen die Illustrierung seiner Ausführungen bildeten. Über 16-, 17-, und 18.000 Fuß hohe Pässe, teilweise mit Benutzung von Yaks als Reit- und Schafen als Tragtiere hat unser Landsmann die Gebirgskette überschritten und ist unter mancherlei Schwierigkeiten in das noch sehr unnahbare Tibet eingedrungen. Am 8. Oktober war er wieder nach Almora zurückgelangt, um dann über Ceylon heimzukehren. Die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Reise wird er demnächst in einem Spezialwerk niederlegen.

QUELLE: Dillingers Reisezeitung, 20. März 1893, S 8, Bild gemeinfrei, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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