FASCHINGSZEIT#

Wien
Ball in der Hofoper vor dem Krieg Die Bühne

Über alle christlichen Feste weiß man Bescheid, denn darüber wurde ausführlich und oft berichtet, nur über die Faschingszeit gibt es vielleicht noch einiges zu erfahren:

1908: So soll das Versäumte nachgeholt werden, gerade in diesem Jahr gibt es einen langen Fasching und zahlreiche Veranstaltungen sind in Wien besonders ausgezeichnet gelungen.

Die Faschings- und Fastnachtszeit währte früher vom 6. Jänner, dem Tag der „Heiligen drei Könige“, bis zum Aschermittwoch, und zwar je nach dem früheren oder späteren Fall des Osterfestes von kürzerer oder längerer Dauer. Später beschränkte man den Fasching oder Karneval auf die Woche vor Beginn der Fastenzeit, Der Name Fastnacht stammt von dem Wort Fasen, faseln, das heißt gedankenlos spielen, Mummenschanz treiben. Mit ihm wird der Dienstag bezeichnet, welcher dem Aschermittwoch vorangeht und an dem die Wogen karnevalistischer Lustbarkeiten noch einmal hoch aufschäumen, ehe der Aschermittwoch allen Freuden ein Ziel setzt und die strenge, ernste, vierzigtägige Fastenzeit einleitet.

Mehr und mehr hat die Karnevalszeit im Laufe der Jahrhunderte von dem urwüchsigen Humor und der gebändigten Lebenslust eingebüßt, der sich das Volk hingab, um sich durch Gelage, Mummenschanz, Tanz und Lustbarkeiten gewissermaßen im voraus für die kommenden entbehrungsreichen Tage zu entschädigen. Die eigentliche Karnevals- oder „Unsinnige Woche“ bildete ehemals den Glanzpunkt der Faschingszeit, und die einzelnen Tage dieser Woche, auch „Torkeltage“ genannt, hatten besondere Namen, die auf deren Bestimmung deutlich hinwiesen. So gab es einen „Pfaffenabend“, den Donnerstag vor Aschermittwoch, an welchem es, laut päpstlicher Verordnung, der Geistlichkeit gestattet war, sich an den Gelagen zu beteiligen. Auf den Pfaffenabend folgte der „Russige Freitag“, der seinen Namen der Sitte der jungen Burschen verdankte, sich an diesem Tag zur Unkenntlichkeit das Gesicht mit Russ zu schwärzen, Der sich anschließende „Schmalzige Samstag“ führte diese Bezeichnung in Rücksicht auf das an ihm stattfindende allgemeine Kuchenbacken, ebenso wie der darauffolgende Sonntag wegen der an ihm üblichen Schmausereien der „Feiste Sonntag“ genannt wurde. Dem blauen, beziehungsweise „Fraßmontag“, auch „Narrenkirchweih“ geheißen, folgte der Fastnachtsdienstag,auch „Fastelabend“ genannt, und diesem die „Krumme Mittwoch“, der Aschermittwoch.

Schon die heidnischen Germanen kannten eine Art Faschingszeit, feierten sie doch in den Monaten Februar und März zu Ehren der wiedererwachenden Natur und der Göttin Berchta allerlei Feste und hielten bei diesen unter Verübung gräulichen Lärms Umzüge in seltsamen, die Götter vorstellenden Verkleidungen und Vermummungen. Auch die altrömischen Bacchanalien und Luperkalien sind als Vorläufer unseres Faschingsfestes anzusehen. Mit der Einführung des Christentums erfuhr so mancher heidnischer Brauch eine gewisse Veredelung und blieben unter anderer Deutung und Auslegung dem Volksleben erhalten, wenn auch die fortschreitende Zeit mit diesen Sitten und Gebräuchen manche Wandlung vornahm.

So hat auch im Laufe der Jahrhunderte der Karneval gar häufig die ihn kennzeichnenden Gestalten gewechselt. Wurde anfänglich die Göttin Berchta dargestellt, so bildete später der „Fastnachtsnickl“, eine hässlich vermummter, Hörner tragender Geselle, die typische Figur der Maskenumzüge, die dann weiterhin durch den Harlekin, Pantalon, Polichmell, Hanswurst und schließlich zur Zeit Ludwig XIV., durch den „Prinzen Karneval“ abgelöst wurde, welch letzterer jedoch seine Herrschaft bis auf den heutigen Tag behauptet hat und noch immer mit Vorliebe alle tanz- und lebenslustigen Leute zur Faschingszeit im lichterfüllten Ballsaal unter seinem Zepter vereint.

Die karnevalistischen Umzüge haben im Laufe der Zeit, soweit sie überhaupt noch bestehen, viel von ihrem einstigen Prunk und Glanz eingebüßt. An der Spitze der Städte, die einst darin wetteiferten, dem Prinzen Karneval durch großartige Maskenzüge zu huldigen, standen in Italien Venedig, in Deutschland Köln und Mainz. Mehr und mehr ist aber diese pomphafte „Heerschau Seiner Tollität des Prinzen Karneval über seine Getreuen“, wobei es früher an originellen Einfällen und witzigen Verspottungen der Zeitgebrechen nicht fehlte, ausgestorben. Im Mittelalter jedoch bestanden zahlreiche Faschingsgesellschaften und Narrenorden, die sich die Pflege karnevalistischer Lustbarkeiten angelegen sein ließen. So gab es eine Brüderschaft „der Mutter Torheit“, in welcher man „Eselsfeste“ feierte, ferner den „Geckenorden“, den Graf Adolf von der Mark im Jahr 1331 stiftete, den „Orden der Hörnerträger“ usw. Die Mitglieder dieser Gesellschaften suchten schon durch ihre Tracht die Aufmerksamkeit der Leute zu erregen; sie gingen bunt scheckig gekleidet, ihr Haupt bedeckte eine Narrenkappe mit kleinen Glöckchen, in der Hand aber trugen sie den Narrenstab, an dessen Spitze sich der Kopf eines Harlekins befand. Die karnevalistischen Veranstaltungen arteten indessen im Mittelalter zur Faschingszeit dermaßen aus, dass sich an manchen Orten, so zum Beispiel um das Jahr 1622 in Kulmbach die Behörden genötigt sahen, Verordnungen wider das „schändliche Mummenschanz- und Fastnachtkleiden“ zu erlassen. Die Gilden und Zünfte haben früher besonders regen Anteil an den Fastnachtslustbarkeiten genommen, zu denen in München der „Metzgersprung“ sowie der „Schäfflertanz“ und in Nürnberg das „Schembartlaufen“ gehörten. Im gleichen Maße aber, wie die Zünfte von Jahrhundert zu Jahrhundert mehr an Macht und Glanz verloren, büßten auch diese eigenartigen Sitten von ihrem Reiz und ihrer Bedeutung ein. Die sogenannten Fastnachtsspiele aber, wie sie dem deutschen Volk im 15. und 16. Jahrhundert von den Meistern Hans Folz, Hans Resenplüt und Hans Sachs beschert wurden, sind nicht spurlos am Geistesleben unserer Nation vorübergegangen, wir dürfen sie vielmehr als die Vorläufer und Wecker des deutschen Lustspiels betrachten.

In den verschiedenen Gegenden Deutschlands haben sich hie und da noch originelle Fastnachtsbräuche aus früherer Zeit erhalten, so das „Frauengericht“ das „Strickziehen“ und das sogenannte „Faschingsjagen“, doch würde es zu weit führen, der einzelnen Bräuche und der mit ihnen verknüpften Zeremonien hier zu gedenken. Interessant ist es doch, sich etwas näher mit den abergläubischen Ansichten zu befassen, denen das Volk zur Fastnacht huldigt. Um das Vieh vor Zauberer zu schützen, muss zu Fastnacht den Stall reinigen und sich außerdem hüten, an diesem Tag Milch aus dem Haus zu geben; auch das Strohschneiden am Faschingsdienstag gilt als schädigend für die Tiere die dann im Sommer von Mücken gequält werden. Der Bauer wünscht sich das Wetter an diesem Tag klar und trocken; denn „Fastnacht klar und hell für auf das Feld den Pflug gar schnell“ und „Trockene Fasten hell und klar, deuten auf ein gutes Jahr“.

QUELLE: Illustrierte Österreichisches Journal, 1. März 1908, S 3, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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