ERHOLUNGSHEIM ABBAZIA#

Abbazia
Erholungsheim

1909: In der Monarchie hatte man dafür gesorgt, dass für Menschen die einen außergewöhnlich anstrengenden Beruf ausübten Erholungsstätten zur Verfügung standen, diese wurden in den schönsten Gegenden des Kaiserreiches errichtet.

So entstand für die Berufsgruppe der Feuerwehr in Abbazia ein modernes Erholungsheim.

Es ist schon das zweite mal, dass sich der Österreichische Feuerwehr Reichsverband mit dieser feuerwehrlichen Wohlfahrtseinrichtung beschäftigt, doch finden wir, wie aus dem Wortlaut der Verhandlungsschriften hervorgeht, denn doch nicht die von der Feuerwehr Abbazia erhoffte eingehende Unterstützung und Würdigung unserer Absichten, ja, fast scheint es, als wenn man das Unternehmen von Abbazia als eine Konkurrenz gegen die bereits geschaffenen nördlichen Feuerwehrheime ansehen wollte. Nichts wäre irriger!

Während Franzensbad Herzkrankheiten. Karlsbad Magen-, Nieren- und Lebererkrankungen und Teplitz rheumatische Krankheiten, Gicht und Ischias heilen, bildet Abbazia eine Spezialität für Heilung von Nervenschock, von allen Krankheiten, die durch Überanstrengung, Übermüdung entstanden, aber vor allem ist es ein Zufluchtsort für Heilung suchende Kranke, die an den Atmungsorganen leiden, sowie für Rekonvaleszenten aller Art.

Die Aufrufe, die Abbazia an die österreichische Feuerwehrwelt erließ, hatten bis jetzt nicht das erwartete Verständnis gefunden und der früher so sehr betätigte Geist der Kameradschaftlichkeit und Opferwilligkeit scheint zugunsten der deutschen Feuerwehr von Abbazia nicht in die Herzen unserer deutsch-österreichischen Kameraden einziehen zu wollen.

Wir verzagen jedoch nicht und hoffen, durch Aufklärung und wahrheitsgetreue Darstellung die Gemüter unserer Kameraden umzustimmen, wozu uns die Mithilfe der Fachpresse sehr erwünscht ist, daher wir auch die Hilfe der so viel gelesenen Fachzeitschrift „Feuer und Wasser in Stadt und Land“ in Anspruch nehmen.

Wie es den Anschein hat, ist bei vielen Feuerwehren und auch bei verschiedenen Verbänden nicht das richtige Verständnis für die Sache des Feuerwehrheims Abbazias vorhanden und manche scheinen zu glauben, dass es der Feuerwehr Abbazia mehr darum zu tun sei, ein billiges und schönes Feuerwehrdepot, als ein Heim für im Beruf erkrankte, erholungsbedürftige Feuerwehrleute zu erhalten. Auch aus einem Teil der Verhandlungsschrift des Österreichischen Feuerwehr-Reichsverbandes vom 29. Mai geht hervor, dass, nachdem Abbazia als ein Luxus-Kurort gilt, man anderen Erholungsheimen mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Solchen Behauptungen muss man entgegen treten und sagen, dass die Heilkraft der Seebäder, die Inhalation der Seeluft, ferner die vollständig geänderten klimatischen Verhältnisse heilkräftige Wirkungen hervorbringen, die man leider im Norden Österreichs gar nicht zu würdigen versteht! Wie oft handelt es sich bei einem Feuerwehrmann um Erkrankung der Atmungsorgane, um starke Erkältungen die todbringende Krankheiten nach sich ziehen können und man wird im Norden mit Mühe und Not nach zweckentsprechender Behandlung suchen, besonders aber im Winter. Abbazia ist Sommer und Winter, zu jeder Jahreszeit ein angenehmer und erfrischender Aufenthalt und unsere natürlichen Heilmittel werden sicherlich ihre Schuldigkeit tun. Abbazia ist auch nicht der Luxus-Kurort, für welchen er verschrien ist, sondern einer der wenigen Orte Österreichs, die es ermöglichen, auch den weniger bemittelten Schichten der Bevölkerung, welchen die Feuerwehren meist entstammen, den Aufenthalt am Meer möglich zu machen. Es wäre sehr bedauerlich, wenn Österreich seinem Süden nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken würde und als Abbazia den echt kameradschaftlichen Plan fasste, für seine österreichischen Kameraden solche Opfer an Arbeit und Selbslosigkeit zu bringen, so hatten jene edlen Männer, die es planten, sicher nicht erwartet, dass ihnen zum Lohn und zum Dank, so viele Schwierigkeiten mit der Durchführung des Finanzprogramms gemacht würden.

Eine ungarische Arbeitergenossenschaft besitzt in Abbazia ein eigenes Sanatorium, in welchem über hundert Personen Unterkunft finden. Wo hat z. B. Österreich in einem Kurort etwas ähnliches? Bei diesem ungarischen Arbeiter-Sanatorium hat es sich ganz besonders gezeigt, dass die Bäder Abbazias von ganz vorzüglicher Wirkung sind.

Abbazia ist auch nicht der teure Ort, für den es fälschlicherweise gehalten wird, denn die Preise sind in allem und jedem in Abbazia gerade so, wenn nicht billiger, als in manchem anderen Kurort, wie z. B. Ischl, Karlsbad, Gastein u.a.

Was die lange und kostspielige Reise anbelangt, so ist es damit wohl auch nicht so schlimm, da sich Erleichterungen auch ohne besondere Schwierigkeiten bei den Bahndirektionen für kranke Feuerwehrleute beschaffen lassen und selbst eine längere Eisenbahnfahrt wird in unserer Zeit für den Fortschritt eines derartigen Unternehmens kein Hindernis bilden.

Und nun sei es gestattet, einiges über das Erholungsheim in Abbazia zu berichten.

Die Freiwillige Feuerwehr- und Rettungsgesellschaft des Kurortes Abbazia hat im Zentrum des Kurortes einen schönen Baugrund um den enorm billigen Kaufpreis von 25.000 Kronen erworben und diesen durch Zukauf kleiner Nachbar Parzellen erweitert. Auf diesem Komplex ist ein in landesüblicher Stilart gehaltener großer Bau ausgeführt, welcher nebst den Parterre-Räumlichkeiten zur Unterbringung der Löschgeräte und einer Rettungsstation, vornehmlich das Erholungsheim für im Beruf erkrankter, erholungsbedürftiger Feuerwehrmänner Österreichs beherbergen soll. Der Bau geht bereits seiner Vollendung entgegen und wird voraussichtlich am 4. Oktober l. J. die feierliche Eröffnung und Einweihung dieses eigenartigen Feuerwehrhauses stattfinden. Das Gebäude hat, wie aus dem angeführten Bild ersichtlich, eine Parterre, ein Mezzanin, drei Stockwerke und ein Mansardengeschoß; die Architektur ist einfach und in südlicher Bauart, mit Terrassen und Balkons, gehalten und charakterisiert ein das Ganze überragender Turm, der zu Übungszwecken als Steiger- und Schlauchturm dient, den ganzen Bau.

Im Parterre befindet sich die Gerätehalle der Feuerwehr, das Wagendepot der Rettungsabteilung, die Kanzlei, das Rettungszimmer, ein Operationszimmer mit Nebenraum, ein Krankenzimmer, Bade-. Dusche- und Nebenräume.

Das Mezzanin enthält ein großes Mannschaftszimmer, Waschraum und die Wohnung des Hausadministrators sowie eine größere Wohnung.

Die drei Stockwerke enthalten größere und kleinere Wohnungen und vor allem die Zimmer an der Hauptfront sind dem Erholungsheim gewidmet.

Das Erholungsheim soll anfangs zwölf Kranke bez.w. Erholungsbedürftige aufnehmen, später jedoch nach Bedarf erweitert werden. Vorgesehen ist für die Pfleglinge unentgeltliche Wohnung, die unentgeltliche ärztliche Behandlung, freie Bäder im Haus, ermäßigte Preise der Bäder außer dem Haus und die Verpflegung.

Die Baukosten betragen über 200.000 Kronen ohne den Baugrund, so dass das ganze Unternehmen auf mehr als eine Viertel Million Kronen zu stehen kommt.

Ist das nicht genug für die kleine Feuerwehr Abbazias? Abbazia, eine Feuerwehr, die nicht so glücklich ist, Mitglied der großen, stolzen Verbände, wie des österreichischen Nordens, sein zu können, da sie ganz isoliert ist und auf sich selbst angewiesen, in Sachen der Kameradschaftlichkeit und Wohltätigkeit aber der Hilfe der deutschen Kameraden Österreichs nicht entbehren kann, es wäre denn, dass diese Eigenschaften bei den deutschen Feuerwehren Österreichs bereits ausgestorben wären.

Man wird vielleicht sagen; „Ja warum hat denn die Feuerwehr Abbazias sich in ein so teures Unternehmen eingelassen, ohne vorher bei den Feuerwehren Österreichs angeklopft zu haben?“

Und darauf sei gesagt: Gerade, weil wir aus eigener Erfahrung wissen, was unsere heilkräftige Gegend für Wunder an Genesung hervorbringen kann, weil wir uns immer mehr und mehr überzeugten, dass gerade der abgespannte, abgerackerte Feuerwehrmann, der außer dem Feuerwehrberuf doch auch seiner oft schweren Nahrungsbeschäftigung nachgehen muss, bei uns Genesung und Kräftigung für den weiteren Lebenskampf findet, darum mussten wir die , wie sonst niemals, sich darbietende Gelegenheit eines vorteilhaften Grunderwerbes ergreifen und die bei uns schon lang gehegte Idee zur Tat werden lassen, allerdings in der zuversichtlichen Hoffnung auf die Unterstützung der österreichischen Feuerwehrschaft.

Möge uns keine Enttäuschung werden! Wir arbeiten, ein Kreis selbstloser Kameraden, gern für die vorgesteckte, gewiss gute Sache und hoffen auf ein gedeihliches Ende und auf die Anerkennung der gesamten Feuerwehrschaft Österreichs.

QUELLE: Feuer und Wasser für Stadt und Land, 1909/1910 Nr. 3, S 3 Bild S 4, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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