DR. HANS LORENZ#

Arzt
Bild, Ill Kronen Zeitung

Dezember 1934: Am Sonntag nachmittags um 6 Uhr, hielt der Chirurg Prof. Hans Lorenz mit Regierungsrat Dr. Karl Hochsinger, ein Konsilium ab, und nahm noch am späten Abend im Rudolfinerhaus eine Operation vor, bei der er mit der von ihm gewohnten Kaltblütigkeit und Präzision vorging.

Obwohl Lorenz keine Klinik und keine Lehrkanzel inne hatte, sondern nur an einem Privatspital, am Krankenhaus der Kaufmannschaft, ein Primariat inne hatte, errang er doch den unbestrittenen Ruhm, der beste Techniker unter allen Chirurgen Europas zu sein. Wie Lorenz die chirurgische Technik gemeistert hat, war einzigartig und unerreichbar. Chirurgen aus der ganzen Welt, so auch von der berühmten Mayo-Klinik aus Rochester, kamen nach Wien ins „Kaufmännische Krankenhaus“, um hier den Meister selbst am Werk zu sehen. Aus allen Weltteilen pilgerten Patienten nach Wien zu Lorenz, der etwa zwei Dezennien der Chirurg Wiens war.

Er führte die kühnsten Operationen durch an die sich kein anderer je gewagt hätte, und sie glückten ihm. Sein Spezialgebiet waren die Bauchorgane. Lorenz selbst hat eine eigene Operationsmethode zur Vermeidung von Rezidiven bei Gallensteinoperationen angegeben, die transduodenale Choledochotomie. Zur Verhütung neuerlicher Geschwürbildung bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür beschritt Lorenz einen neuen Weg durch Entfernung bestimmter Teile des Magens, des sogenannten Antrums.

Seine manuelle Fertigkeit war außerordentlich geschätzt, und außer den zahlreichen Operationen interessierte er sich für Fragen seines engeren Faches wie Darmchirurgie, Leberchirurgie, Operationen am Mastdarm, zählen zu seinen wissenschaftlichen Forschungen, die er in Vorträgen dem wissbegierigen Publikum gerne vortragen wollte..

In dem von Hochenegg und Payr Lehrbuch der Chirurgie hat die Bauchchirurgie durch Lorenz eine meisterhafte Darstellung gefunden. Lorenz war auch ein ausgezeichneter Lehrer. Er stammte aus der berühmten Schule Alberts, dessen letzter Assistent er war. Nach kurzer Dienstzeit unter Gussenbauer und Eiselsberg ging Lorenz zu Hochenegg auf die II. Chirurgische Klinik ins Allgemeine Krankenhaus übersiedelte. Von hier kam dann Lorenz im Jahr 1910 als Primarius an die chirurgische Abteilung des neu gegründeten Krankenhauses der Kaufmannschaft in der Peter Jordan Straße.

Prof. Hans Lorenz dem für Operationen phantastische Summe gezahlt wurden, operierte Arme und Minderbemittelte umsonst. Als Chirurg der Concordia, hat Lorenz sich große Verdienste erworben und von seinen Patienten verehrt und geliebt wurde.

Gegen 22 Uhr 30 fuhr Prof. Lorenz in seinem Auto nach Hause, sprach eine Weile mit seiner Frau, erklärte ihr plötzlich, dass er noch einige Briefe zu erledigen hätte und zog sich in seine Ordination zurück.

Nachdem er um 1 Uhr nachts noch immer nicht ins Schlafzimmer zurück war, suchte ihn seine Frau, die von einer bösen Ahnung erfüllt, in der zwölf Zimmer umfassenden, weitläufigen Prunkwohnung.

Als sie die Ordination betrat in der Licht brannte, prallte sie entsetzt vor Schreck zurück, ihr Mann hatte Selbstmord durch Erhängen begangen. Der herbeigerufene Arzt, Dr. Biehl, der im selben Haus wohnte, blieben trotz der vorgenommenen Wiederbelebungsversuche an dem noch warmen Körper ergebnislos.

Dr. Hans Lorenz wurde nur 61 Jahre alt, und seit längerer Zeit von Gefühlsstimmungen verfolgt, befürchtete er, in gänzlicher Verarmung zu enden. Seine Eltern stammten aus Böhmisch-Leipa in der Tschechoslowakei. Er wurde am 26. März 1873 in Wien geboren.

Er hatte in Galizien Erdölbohrungen finanziert, die einen beträchtlichen Teil seines Vermögens, an die eineinhalb Millionen Schilling verschlangen, ohne bisher irgendeinen Gewinn zu erhalten. Diese finanziellen Verluste zusammen mit seiner seelischen Stimmung und dem fortschreitenden Alter hat diese markante Persönlichkeit in den Tod getrieben.

Seine 24 jährige Tochter eine bekannte Sportlerin die zur Zeit in den Dolomiten weilte und sich mit einem italienischen Aristokraten verlobt hatte, wurde telegraphisch vom tragischen Tod ihres Vaters verständigt. Auch seine Mutter, eine 87 jährige Witwe wurde der Tod ihres Sohnes schonend beigebracht.

Lorenz hatte in seiner besten Zeit ein Jahreseinkommen von einer Million Schilling und noch in den letzten Jahren verdiente er 300.000 bis 400.000 Schilling, So hatte er sich einreden lassen, dass er sich durch die Finanzierung von Erdölbohrungen in Galizien eine bedeutende Lebensrente sichern könnte. Daher finanzierte er ab 1926 Flachbohrungen im galizischen Petroleumgebiet Witrycow ohne dass sich ein Erfolg zeigte. Sein Bankier Friedenstein hatte alles versucht, um die Verluste zu mildern.

So waren Verhandlungen eingeleitet worden.um die Bohranteile des Professors an ein Schweizer Konsortium zu verkaufen. Die Schweizer Bank war eben dabei die Bohranteile für 250.000 Schweizer Franken abzukaufen und sandte deshalb einen Vertrauensmann nach Wien, um das Geschäft zum Abschluss zu bringen, aber es war leider schon zu spät.

Prof. Hans Lorenz bewohnte in der Alser Straße 45, im 8. Wiener Gemeindebezirk, den gesamten ersten Stock eine pompös eingerichtete Wohnung die seine Vorliebe für gotische Schmiedearbeiten und Schnitzereien, spanische Corduan-Lederfauteuils, herrliche Jagdteppiche, einem Museum vergleichbar, residierte. All diese Schätze konnte er trotz Geldschwierigkeiten nicht verwerten, da diese Kunstsammlung unter Denkmalschutz gestellt war.

Seine Freizeit verbrachte er vor allem in der Natur die er so sehr liebte, und war einer der besten Alpinisten. 1894 bestieg er den Dents du Midi und den Zehner. 1895 fand er den bekannten Lanykofel-Nordostweg und vollführte zahlreiche Erstersteigungen in der Schweiz. Dann widmete er sich dem Flugsport und war einer der ersten Freiballonführer Österreichs.

Auch schriftstellerisch hat sich der Gelehrte betätigt; aus seiner Feder stammen bekannte Arbeiten über Gallensteinoperationen, Kropfoperationen und Starrkrampferkrankungen.

Die Nachricht von Lorenz Tod schlug unter den Kollegen wie eine Bombe ein. Tief erschüttert nahmen sie dessen Selbstmord zur Kenntnis ohne es richtig begreifen zu können. Was bewog diesen so erfolgreichen Operateur dazu, der stets bewundert ob seiner medizinischen Begabung, seiner außerordentlichen chirurgischen Technik, überall fand er Anerkennung , Ruhm und Ansehen um so unverständlich war seine Tat , seinem Leben ein Ende zu setzen.

QUELLEN: Die Stunde, 18. Dezember 1934, S 1, Neues Wiener Tagblatt, 17. Dezember 1934, S 1, Der Tag, 18. Dezember 1934, S 3, Ill Kronen Zeitung, 18. Dezember 1934, S 6, Bild, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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