DR.ANTON PERGELT#

Abgeordneter

Die Deutsche Fortschrittspartei hat einen herben Verlust zu beklagen. Einer ihrer Gründer , ihr langjähriger Obmann Dr. Anton Pergelt, ist am 8. Oktober 1910, nach dreiwöchiger Krankheit an Herzschwäche gestorben.

Der Tod dieses Mannes, der unter schwierigen Verhältnissen den Kampf für das gefährdete Deutschtum in Böhmen im Abgeordnetenhaus, im böhmischen Landtag und zur Zeit der höchsten leidenschaftlichen nationalen Erregung, als der nationale Streit auch die österreichische Delegation beherrschte, in dieser Körperschaft mit eiserner Konsequenz, klarem Verständnis, ernster Mäßigung und Würde geführt hat, lässt eine schwere Lücke in der Partei zurück. Gerade jetzt, wo seine erprobte Erfahrung, seine jahrelange Beschäftigung mit den Fragen, welche den Schutz des gefährdeten Deutschtums in Böhmen betreffen, von neuem zur Diskussion im böhmische Landtag wie im Reichsrat gelangt! Anton Pergelt war einer der bedeutendsten Politiker des österreichischen Parlaments und der im hohen Grad das Vertrauen seiner deutsch-böhmischen Landsleute genoss.

Ein ganz besonderer Verdienst erwarb er sich bei der Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechtes um die Wahlgebietseinteilung in Deutschböhmen sowie um die Zuweisung von 55 Mandaten für die Deutschen in Böhmen.

Während der Krise des Ministeriums Thun hereinbrach und die Schaffung eines neuen Ministeriums der Rechten unter der Leitung des Fürsten Alfred Liechtenstein versucht wurde, wurde Dr. Pergelt mit den übrigen deutschen Führern zum Monarchen beschieden. Er wurde am 28. September 1899 gleichzeitig mit dem Obmann der Deutschen Volkspartei, dem Abgeordneten Dr. v. Hochenburger, dem gegenwärtigen Justizminister, empfangen. Der Kaiser teilte ihnen mit, dass die Sprachenverordnungen, um die seit drei Jahren der Kampf entbrannt war, beseitigt werden sollen und das kommende Ministerium Clary nur ein Übergangsministerium sein werde, da im Moment weder ein Koalitionsministerium noch ein Ministerium der Rechten möglich sei. Dr. Pergelt erbat sich die Erlaubnis, frei und offen dem Monarchen über die Lage berichten zu dürfen, und erklärte, wie sehr die Deutschen infolge der vielen Enttäuschungen der letzten Jahre misstrauisch geworden waren, so dass der Aufschub der Sprachenverordnungen allein ihr Misstrauen nicht beheben könne.

Lebenslauf

Pergelt wurde nur 58 Jahre alt, stammt aus Sophienhain bei Warnsdorf, wo er am 11. Jänner 1853 geboren wurde. Er absolvierte das Gymnasium in Böhmisch-Leipa und ließ sich, nachdem er seine Studien vollendet, in Wien als Advokat nieder. Hier fungierte er auch seit vielen Jahren als Rechstvertreter der Znaimer Sparkasse, die in ihm einen treuen und verdienten Anwalt ihrer Interessen verliert. Im Jahr. 1892 wurde er nach dem Tod des Abgeordneten Karl Hielle von dem deutsch-böhmischen Wahlbezirk Rumburg in das Abgeordnetenhaus gewählt, und bald darauf vom Landgemeinde-Bezirk Rumburg-Warnsdorf in den böhmischen Landtag gewählt. Pergelt schloss sich dort dem linken Flügel der Vereinigten deutschen Linken an, schied aber, als der Sprachenkampf entbrannte, Ende 1896 mit den übrigen deutsch böhmischen Abgeordneten aus, nachdem er die Deutsche Fortschrittspartei in Böhmen mitbegründete. Später trat er mit seiner Partei dem Deutschen Nationalverband bei, in dem er eine hervorragende Stelle einnahm.

In den Badeni Tagen spielte Dr. Pergelt bereits eine hervorragende Rolle. Er war es, der dem Grafen Badeni noch vor Erlassung der Sprachenverordnung vor diesen gewarnt und den unbeugsamen Widerstand der Deutschen gegen diese Verordnung angesagt hatte. Während dieser Zeit und während der November Stürme vom Jahr 1897 lag die Führung der Fortschrittspartei in Dr, Pergelts Händen und von da ab zählte er überhaupt zu den führenden deutschen Abgeordneten. Dr. Pergelt ein alter Burschenschafter, war von Anbeginn seiner politischen Laufbahn stets ein Nationaler. Er war eine liebenswürdige Natur und infolgedessen eine geeignete Persönlichkeit, so manche Meinungsverschiedenheit innerhalb der deutschen Reihen durch sein Eingreifen zu mildern und zu schlichten. Wiederholt ist Dr. Pergelt, der bei den Wahlen im Jahr 1907 das Warnsdorfer Reichsratsmandat in der Stichwahl gegen Pernerstorfer errungen hatte, als künftiger deutscher Landsmannminister bezeichnet worden, aber auch als Justizminister wäre er vielleicht bei einer Parlamentarisierung des Kabinett in Frage gekommen. Den letzten Verhandlungen in Prag konnte er nicht mehr beiwohnen weil er erkrankte.

Dr. Pergelt war eine außergewöhnlich markante Erscheinung von kräftiger, mittelgroßer Statur, mit einem massiv geformten Kopf und hellen Augen. Wer Pergelt kannte, wird sich seiner als einer freundlichen und doch sehr bedeutenden Persönlichkeit gern erinnern. Dr. Pergelt war kein bloßer Name; er war der Inbegriff der deutsch-tschechischen Frage, wenigstens für das Parlament. Wenn das deutsch-tschechische Problem, wie das oft genug geschah, seine mächtigen Wellen über das Parlament warf, dann wendete das allgemeine Interesse sich dem Abgeordneten Dr. Pergelt zu. Im allgemeinen gehörte er nicht zu den Abgeordneten, die im Vordergrund der parlamentarischen Kämpfe standen. Nur selten, nur dann, wenn entscheidende Kämpfe ausgefochten wurden, dann war auch Pergelt da. Wenn der deutsch-tschechische Kampf an einen Namen geknüpft war, dann war es der Name des Abg. Dr. Pergelt. Seinem kalmierenden Einfluss ist es nicht in letzter Linie zuzuschreiben, dass die jüngsten Verhandlungen in Prag einen soviel versprechenden Verlauf nahmen.

Krankheit und Tod

Dr. Pergelt litt an Arterienverkalkung. Diesen Sommer verbrachte er in Marienbad, wo er sich sehr erholte. Er äußerte, dass er sich noch nie so wohl gefühlt hätte. Am 25. August wurde er aber mit einmal von heftigen Atembeschwerden befallen, die nicht schwinden wollten. Am 2. September reiste er nach Wien. Er hat seither seine im Schottenhof gelegene Wohnung fast nie mehr verlassen. Wiederholt besuchten ihn Freunde, Parlamentarier die ihn geistig sehr rege fanden. In den letzten Tagen hat sich sein Zustand derart verschlechtert, dass er keine Besucher mehr empfangen konnte. Er litt sehr schwer und verfiel immer mehr. Während der gesamten Zeit wurden ihm von seiner Gattin und seinem Hausarzt Dr. Pichler die sorgsamste Pflege zuteil. Der Ministerpräsident Dr. Freiherr von Bienerth, Dr. von Baernreither und andere Persönlichkeiten ließen Erkundigungen über sein Befinden einholen. Sein Zustand verschlimmerte sich immer mehr, Bewusstlosigkeit trat ein aus der er nicht mehr erwachte. An seinem Sterbelager weilten aus seiner Witwe und dem Hausarzt noch sein Bruder Sektionsrat Pergelt. Die erst vor einem Jahr geschlossene Ehe ist kinderlos geblieben.

Die irdische Hülle Dr. Pergelts wird am Mittwoch, dem 12. Oktober, nachmittags 3 Uhr von der Wohnung in Wien I. Schottenhof in die Schottenkirche getragen daselbst feierlich eingesegnet und sodann nach Warnsdorf überführt

QUELLEN: Leitmeritzer Zeitung 12. Oktober 1910, S 1. Prager Tagblatt, 10. Oktober 1910, S 1, und Bild, Teplitz Schönauer Anzeiger, 10. Oktober 1910, S 1, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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Hinweis:

  • Anton Pergelt (AustriaWiki)