DIE REITZES#

Bank
Hans von Reitzes

In der Vorkriegszeit zählte man in Österreich etwa 600 Millionäre. Kaiser Franz Joseph war viel reicher, als sein Freund und Bundesgenosse Kaiser Wilhelm II., der vor dem Krieg immerhin 170 Millionen Mark besaß. Das Vermögen keines einzigen deutschen Prinzen reichte auch nur im entferntesten an den Besitz der früheren Erzherzöge Friedrich und Stephan heran, die die Erben des riesigen Grundeigentums des verstorbenen Erzherzog Albrecht waren. Für ebenso reich wie diese beiden Mitglieder des kaiserlichen Hauses galten die Fürsten Schwarzenberg, dessen Besitz Erlös eine Summe ergeben würde, die das Vermögen der Wiener Familie Rothschild weit übersteigen würde.

Beinahe ebenso groß wie der Grundbesitz der Schwarzenberg war der Grundbesitz des Fürsten Thurn und Taxis, der Windischgraetz, der Liechtenstein. Eine mächtige Ausdehnung auch der Grundbesitz des Grafen Schönborn, des Grafen Leopold Sternberg und des Grafen Leopold Berchtold.

Bedeutend , vor dem Krieg war das österreichische Industrievermögen, der Bierkönig Anton Dreher, die Inhaber des Großhandlungshauses Schoeller & Co., Max von Gutmann und Familie, der böhmische Braunkohlen König Ignaz Petschek in Aussig; dann folgten Stummer, Baron Gustav Springer, die Seifenfabrikanten Schicht, und Petschek Konkurrenten Weinmann in Aussig, Baron Franz Ringhoffer, der Seniorchef der Prager Waggonfabrik. Jedes dieser Vermögen schätzte man vor dem Krieg auf etwa 100 bis 400 Millionen Kronen.

Aber wenn sich auch die Zahl der großen Vermögen und deren Höhen vollkommen geändert hat, so haben sich doch die meisten Größen der früheren Zeit in ihrer Stellung behaupten können und viele haben es sogar verstanden sich unter Anpassung an die neuen Verhältnisse noch erhöhte Bedeutung zu verschaffen. Und zu diesen gehört in hervorragendem Maße auch das Vermögen des Hauses Reitzes.

Das Reitzes Vermögen ist verhältnismäßig jungen Datums. Noch vor fünf Jahrzehnten war davon fast gar nichts vorhanden. Die Brüder Siegmund und Maximilian Reitzes, von denen der eine der Vater, der andere der Onkel des jetzigen Chefs von S. & M. Reitzes war, haben die vielen Millionen erworben, und zwar war die Hinterlassenschaft von Siegmund Reitzes um ein Vielfaches größer als die Summe, die nach dem vor zwanzig Jahren verstorbenen Maximilian an den einzigen Sohn Hans und seine Schwester fiel. Die Firma war eben noch nach dem Tod von Maximilian Reitzes und vor dem Ableben von Siegmund Reitzes außerordentlich vom Glück begünstigt. Es scheint auch, dass Siegmund Reitzes der Zähere, der Weitblickende war, dass er die wirtschaftlichen Dinge schärfer im Voraus zu berechnen wusste.

Die erste umfassende Transaktion der Firma begann wenige Jahre nach der Gründung des Hauses; der 1836 geborene Siegmund hatte nach Absolvierung eines Wiener Gymnasiums das Bankgeschäft bei L. Epstein erlernt. Gemeinsam mit seinem Onkel, dem Lederfabrikanten Moses Reitzes, begründete er 1864 das Bankhaus M. & S. Reitzes, als aber der Onkel seine drei Söhne, die für leichtsinnig galten, zur Leitung der Firma heranziehen wollte, trat Siegmund Reitzes aus dem Geschäft aus und vereinigte sich 1870 mit seinem Bruder Maximilian zu dem Bankhaus Gebrüder S. & M. Reitzes. Mit seiner Abneigung gegen die Vettern mag Siegmund Reitzes nicht ganz unrecht gehabt habe, denn die Firma M. & S. Reitzes trat in dem bösen Jahr 1873 in eine nicht ganz freiwillige Liquidation. Die Gebrüder Reitzes widmeten sich zunächst nur dem Arbitrage- und Kommissionsgeschäft, und zwar in einem recht mäßigen Umfang – denn das Kapital, das ihnen zur Verfügung stand, war mehr als bescheiden. Sie konnten nicht einmal im Traume daran denken, dem Welthaus S. M., von Rothschild auch nur in einem winzigen Zweig des Gesamtunternehmens Konkurrenz zu machen. Sie verfolgten viel nähere Ziele: bürgerliche Einkünfte zu haben und – wenn ihnen der Himmel besonders gnädig wäre - einige Ersparnisse zu machen. Sie waren fleißig, zäh, anspruchlos und die Zeiten waren nicht schlecht. So hatten sie ein leichtes Auskommen und konnten wirklich eine Kleinigkeit zurücklegen. Da kam – nach der Weltausstellung der Krach von 1873 der nur den Reitzes nichts anhaben vermochte, weil sie zu jener Zeit gar keine Engagements unterhielten. Aber gleich nach den Tagen des Krachs fingen sie ihre Finanzoperationen an. Sie kauften Papiere der böhmischen Bahnen: der Aussig – Teplitzer Eisenbahn, der Dux – Bodenbacher , der Buschtiehrader, der Turnau – Kraluper. Dazu brauchte man keine Rotschild Kapitalien denn eine Aktie der Dux – Bodenbacher Bahn war für 7 Gulden zu haben, eine Aktie der Buschtiehrader Bahn für 4 Gulden. So bezahlten die Reizes nicht viel mehr als den Druck, das Papier und die elegante Ausstattung der „Nonvaleurs“.

Bahn
Aktie

Die Reitzes waren so ziemlich die einzigen Menschen in Österreich, die in die Zukunft der böhmischen Bahnen einiges Vertrauen setzten. Kein Wunder! Le böhmischen Bahnen schleppten damals große schwebende Schulden mit sich, und als ihr Generalvertreter in der höchsten Not vom Eisenbahnministerium Rat und Hilfe verlangte, bekam er die Antwort: „Fahren Sie nach Prag und melden Sie den Konkurs an!“. Siegmund Reitzes hörte davon und er brachte schleunigst eine Vereinigung sächsicher Bankiers zustande, die über die schwerste Zeit hinüber half.

Es dauerte nun eine gewisse Zeit, bis die Brüder Reitzes den Lohn für ihren guten Glauben fanden. Die Dux – Bodenbacher Bahn z. B., schüttete von 1873 bis 1879 keinerlei Dividende aus, desgleichen brachte die böhmische Nordbahn in den sechs Geschäftsjahren von 1876 bis 1881 nicht den geringsten Ertrag. Auch von den übrigen Eisenbahnpapieren hatten die Reitzes wenig Freude.

Erst im Laufe der Achtziger Jahre wuchs in Böhmen eine für österreichische Verhältnisse starke Industrie heran, die böhmische Bahnen erzielten nun glänzende Einnahmen für den Transport von Waren und Personen und die Aktien der Reitzes stiegen unaufhaltsam – so die Dux – Bodenbacher bis zu einem Einlösungskurs von 1050 Kronen. Vom Ausbau des Gotthard Tunnels erwarteten die Reitzes ein ungeheures Wachsen des Personen- und Güterverkehrs zwischen Deutschland und Italien und sie kauften eine großen Posten von Gotthardbahn Aktien, als diese Papiere gerade auf 60 Francs gefallen waren.

Pferde
Tramway

Vielfache Millionäre waren die Reitzes bereits, als sie sich dem Betrieb der Wiener Tramway zuwandten. Als Groß Aktionäre der Wiener Straßenbahn sind die Reitzes in der österreichischen Hauptstadt allgemein bekannt geworden, aber sie fanden auch reiche Gelegenheit, allen bitteren Beigeschmack der Wiener Popularität durchzukosten. Man warf ihnen vor, dass die Fahrpreise zu hoch, die Zahl der Wagen zu gering, die Ausstattung der Waggons alles andere als komfortabel, die Überfüllung unerträglich und der ganze Betrieb, der nicht durch elektrische Kraft, sondern durch Pferde aufrecht erhalten wurde, völlig unmöglich wäre. Die Kommunalgewaltigen machten sich die Verstimmung des Publikums über die Pferdebahn zunutze, indem sie auf der einen Seite die Bewohner Wiens und das Tramway Personal, auf der anderen Seite die Aufsichtsbehörden gegen die Reitzes hetzten, und als das Eisenbahnministerium schließlich damit drohte, dass es die Bahn unter Zwangsverwaltung stellen würde, gaben die Reitzes ihre Tramway Aktien im Jahr 1894 an den Wiener Bankverein ab – gerade zur rechten Zeit, denn bei der Verstaatlichung büßten die Besitzer der Aktien genau die Hälfte ihres Geldes ein.

Aus dem gesamten Tramway Geschäft in den 8 Jahren konnten sie einen Gewinn von 2,000.000 Gulden erzielen.

Siegmund Reitzes hatte die Modernisierung der Tramway vorgehabt, denn er bewunderte den schöpferischen Geist eines Siemens, eines Rathenau, er fühlte nicht selten das Bedürfnis, der Schöpfer bleibender Unternehmungen zu werden. Der Erfüllung dieses Wunsches stand nur der kleinliche Wiener Parteigeist entgegen. So blieb ihnen nichts anderes übrig als sich wieder den böhmischen Bahnen zuzuwenden. Dass die Reitzes sehr urteilsfähig, und nicht waghalsig waren, das hat ihren Riesenerfolg gemacht.

Nun wirkten die Reitzes bei den Kapitalvermehrungen etlicher Wiener Finanzinstitute mit, als der Weltkrieg ausbrach, war das Haus mit der Bodenkredit Anstalt, mit der Depositenbank und mit der Unionbank eng liiert. Maximilian Reitzes ist als Fünfziger zu Beginn der Neunziger Jahre , Siegmund Reitzes siebzigjährig 1906 gestoben unter Hinterlassung eines bedeutenden Legats für wohltätige Zwecke. Zuletzt hatte er sich nur um sein eigenes Vermögen gekümmert und der Bedürftigen gedacht.

Sein Nachfolger, Hans Freiherr von Reitzes betrieb eine aktivere Finanzpolitik. Man erzählt, dass er vom vorzeitigen Beginn den Balkankrieges durch den König von Montenegro unterrichtet worden sei, dass er gemein mit Nikita an der Pariser Börse spekuliert und dem Montenegriner König sozusagen die Kriegskosten verdient habe. Das war eine schwere Beschuldigung weil ja der Balkankrieg zweifellos die Interessen Österreichs geschädigt hat, und deshalb hat seinerzeit Baron Reitzes vor dem Grafen Berchtold an Eidesstatt versichert, dass er weder direkt noch indirekt mit dem Könighaus oder mit der Regierung von Montenegro irgend etwas zu schaffen gehabt hätte.

Auf den jungen Reitzes übte der Pariser Bankier Rosenberg in mancher Hinsicht unheilvollen Einfluss aus. Hans Freiherr von Reitzen ermöglichte seinerzeit dem jungen Rosenberg die Etablierung seiner Firma in London und unterstützte seine ersten finanziellen Versuche an der Pariser Börse. Die Unterstützung des Hauses Reitzes veranlasste auch die Union Bank den nachmaligen ungarischen Baron Rosenberg zu kommanditieren. Das Verhältnis zwischen ihnen wurde so intim, dass Reitzes keinen Schritt mehr ohne Rosenberg machen konnte, und behauptete dass er an den russischen Geschäften Rosenberg beteiligt war.

Als Rosenberg vor Kriegsausbruch, die Panik der russischen Werte ausbrach, an der Pariser Börse insultiert wurde, nannte man den Namen Reitzes in unangenehmer Nähe dieser verkrachten Faiseurs, der nun in Zürich mit Kronen spekuliert.

Durch den Weltkrieg und durch die Entwertung der Valuta hat das Haus Reitzes an internationaler Bedeutung verloren, auch ist das Haus, da es sich neue geschäftliche Transaktionen nahezu gänzlich enthalten hat, gegenüber den zahlreichen neu entstandenen Vermögen stark in den Hintergrund getreten.

Während des Krieges hatte man die Verbindung mit der Depositenbank gelöst und beschäftigte nur mit der Verwaltung des eigenen Vermögens und des Vermögens der Familie. Da die Familie aus Polen stammte, hat Hans von Reitzes von seinem Optionsrecht Gebrauch gemacht, und war den heftigen Angriffen ausgesetzt, und man warf ihm vor die österreichische Staatsbürgerschaft preisgegeben zu haben, um Steuervorteile zu erlangen. Hans von Reitzes nahestehende Kreise behaupten indessen, dass die Annahme der polnischen Staatsbürgerschaft darauf zurückzuführen sei, dass Baron Reitzes sich der Hoffnung hingab, durch diesen Schritt seine durch den Weltkrieg verloren gegangenen internationale Stellung leichter zurückgewinnen zu können. Baron Reitzes ist mit einer Tochter des Wiener Advokaten Dr. Korper von Marienwert verheiratet und Vater eines zwölfjährigen Knaben. Vielleicht wird Baron Reitzes den Beweis erbringen, dass er der Stadt Wien, der sein Haus so viel verdankt, nicht undankbar den Rücken gekehrt hat.

Wie ich feststellen musste ist dieser Artikel über die Reitzes sehr geschönt und ich entdeckte in allen anderen Zeitungen Ereignisse und Vorkommnisse die nicht unerwähnt bleiben sollten um das Gesamtbild dieser Familie abzurunden.

Wie die Wochenzeitung „Reporter“ 1873 berichtet sollen Max Reitzes und sein Zuhelfer Teitelbaum in der Börse beinahe gelyncht worden sein,,,,“

Perlen
Maria von Reitzes

Wien
Palais Reitzes
Architekt
Wilhelm Fraenkl

Siegmund Reitzes hatte seinen Neffen Hans Reitzes als Universalerben eingesetzt, nachdem die Stiefenkel verarmten, hätte Hans Reitzes für ihren Unterhalt aufkommen müssen, tat es aber nicht so kam es zu einem Prozess der sich vier Jahre hinzog. In dem Prozess beteuerte das Ehepaar Reitzes wie arm sie inzwischen geworden sind. Hans Reitzes war es auch, der sich bei der Auktion den Napoleon Schreibtisch um sehr viel Geld kaufen konnte und als Beifügung noch zu lesen war: „und auch sonst für kein Verbrechen Strafen zu befürchten hat..“ Seine Gemahlin, Marie Korper von Marienwerth, die Hochzeit fand 1908 in der evangelischen Kirche in der Dorotheergasse statt. Sie waren Eltern eines Knaben Max, kam ebenfalls in die Schlagzeilen der Zeitungen als bekannt wurde, dass ihre Perlenkette die einen Wert von 400.000 Schilling verloren, oder gestohlen wurden. Als Finderlohn waren 44.000 Schilling ausgesetzt, in einer Zeit wo Arbeitslosigkeit und Armut herrschte. Da die teuren Perlen nie mehr auftauchten zahlte ihr die Versicherung 400.000 Schilling. Sie besaßen in der Universitätsstraße Nr. 5 ein Palais das in den Jahren 1878 bis 1879 von Wilhelm Fraenkel errichtet wurde. Der Sohn Max verübte 1926 mit 18 Jahren in Maiernigg in der Villa Louise Selbstmord durch Kopfschuss. Es ging um eine Kärntner Juweliers Tochter. Ein anderes Mädchen wählte wegen Max den Freitod..

Der Prozess endete damit, dass Hans Reitzes jedem Mitglied 25 Millionen Kronen monatlich zahlen musste.

1912 war das Ehepaar Reitzes vom rumänischen Königspaar eingeladen worden.

Auch der Balkankrieg brachte Hans Reitzes wie gemeldet 130 Millionen Kronen ein. Am 14. Juni 1913: Im Ministerium des Äußeren gab Baron Hans von Reitzes die eidesstattliche Versicherung ab, dass seine Firma mit der montenegrinische Regierung in keinerlei geschäftlichen Verbindungen gestanden sei. Dafür Rosenberg in Paris und London so der „Morgen“.

1917 Preistreiber Prozess gegen die Depositenbank

Um der Abgabensteuer zu entfliehen nahm Hans Reitzes wieder die polnische Staatsbürgerschaft an. Das wurde ihm sehr übel genommen. Am 10. Juli 1935 starb Hans Reitzes in Siofok an einem Schlaganfall.

Quelle: Börse und weitere zahlreiche Zeitungen der ÖNB Bildmaterial; Graupp I.Ch.

https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/DIE_REITZES