DER WIENER FILM#

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1929: Mit der Gründung des „Bundes der Filmindustriellen in Österreich“, im Jahr 1909, war ein Stück moderner österreichischer Kultur- und Wirtschaftsgeschichte verbunden.

Man wird alt.Vor zwanzig Jahren kam ein eleganter Herr mit einem kräftig gebauten jungen Mann ins Café Prückl. In einer Ecke saß der junge „Bund der Filmindustriellen in Österreich“ Josef Somlo, der junge Alexander Ortony, Siegmund Philipp mit einem schönen, sehr weißen , Vollbart, Josef Roth, Edmund Porges und der fesche Robert Müller. Am Nebentisch der junge Gustav Münstedt und „Maxl“ Schweinburg. Der elegante Herr war Rady Maller,

Der „Bund der Filmindustriellen in Österreich“ war eigentlich mehr für die Öffentlichkeit. Sonst war er eine Familie, deren Mitglieder sich gut, oder weniger gut vertrugen. Viele sind zu jung dahingegangen, die Mehrzahl ist aber auf dem Posten geblieben und kämpft weiter, blieben im Filmgeschäft von dem sie nicht loskamen.

Damals waren die Aufgaben des Bundes sehr beschränkt. Kinobesitzer und Verleiher vertrugen sich gut, da infolge der „freien Filme“ Reibungsflächen nicht vorhanden waren. Ein Programm bestand aus 7 bis 8 Nummern im Ausmaße von 700 Meter. Für Filme in der ersten Woche wurde eine Leihgebühr von 35 bis 40 Heller, für die zweite Woche 25 Heller pro Meter bezahlt. Spätere Wochen mit 50 bis 100 Kronen als Pauschalpreis. Die Haupttätigkeit des Bundes war auf die damals scharfe Zensur beschränkt.

Dann kamen die Monopolfilme und die Reibungsfläche zwischen Kinobesitzer und Verleiher - Fabrikanten gab es nur ganz wenige - vergrößerte sich. Die Meinungsverschiedenheiten wurden damals noch in freundschaftlicher Weise ausgetragen da inzwischen Edmund Porges, die Kinobesitzer organisiert hat. Juhasz, Edthofer, Marschall, Haushofer und noch einige alte Kämpen waren seine Genossen.

Langsam, nur ganz langsam kam die Filmfabrikation in gang. Der geniale Sascha Kolowrat begann mit Naturaufnahmen, die Österreichische Kinoindustrie und Philipp & Preßburger mit größeren Spielfilmen. Aber wie wurden diese Filme gemacht? Das einzige feste Atelier war in der Biberstraße, ausgerüstet mit 2 ½ Jupiterlampen, 1 ¼ verbogenen Holzwänden, 2 Perücken und 20 Vollbärten, denn Vollbart war damals die große Mode im Film. Dann war ein Freilichtatelier im 20. Bezirk, in welchem der klassische Girardifilm gedreht wurde und ein Freilichtatelier in Mauer. Philipp & Preßburger haben dort Filme von Felix Salten mit Rudolf Schildkraut fabriziert und Hans Otto hat sich hierbei seine ersten Sporen verdient.

Neue Kinos entstanden und um jedes neue Kino gab es einen Kampf zwischen Behörden, Verleihern und Kinobesitzer. Die Kinobesitzer schrien, dass jedes neue Kino ihren Ruin herbeiführt. Die Verleiher und Fabrikanten erwiderten, dass jedes neue Kino neue Scharen Besucher dem Kino zuführt, die der Allgemeinheit zugute kämen. Hofrat Marinovich, damals Leiter des Kino- und Filmdepartements in der Polizeidirektion, konnte Kinolizenzen nur vergeben, wenn man zumindest die Protektion der Maitresse eines Erzherzogs hatte. Die Erzherzöge waren sittsam, es gab nur wenige so hochgestellte Maitressen, und die Anzahl der Kinos vermehrte sich nur langsam, im Gegensatz zu Deutschland und anderen Ländern. Die Fabrikation konnte nur schwer vorwärts kommen, da auch schon damals das Fundament für die Fabrikation der Inlandsabsatz war. Im „Bund“ waren eigentlich zu 95 % Interessen der Verleiher vertreten und die Differenzen zwischen Verleihern und Fabrikanten waren fast ebenso große, wie zwischen Verleihern und Kinobesitzern. Dem klugen Diplomaten Josef Somlo gelang es, wenigstens die Einigkeit nach außen hin aufrecht zu erhalten.

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August 1914. Der Krieg beginnt. Der „Bund“ übersiedelte in den Mittagsstunden vom Café Prückl ins Café Kaisergarten. Nachdem es wenig gediente Soldaten unter uns gab, wurden die Rollen, die jeder im Krieg spielen sollte, verteilt. Der liebe sympathische Roth Jozsi hat sich schon als Verkehrsschutzmann vor der Oper gesehen – er war der erste, der ins Gras beißen musste, - Edmund Porges wollte Briefträger werden, denn er behauptete, dass Landsturmmänner nur hinter der Front Dienst machen dürfen. Robert Müller wollte ein Amazonenregiment aufstellen – er wusste sicherlich warum. Die Menschen waren auf der Straße, in den Kasernen oder begleiteten ihre Angehörigen zum Abtransport. Kein Mensch ging ins Kino. Die aus der Branche Glück hatten, retteten sich ins Kriegspressequartier oder waren vorläufig noch nicht frontdiensttauglich. Das Moratorium kam - kein Mensch zahlte – Geschäfte wurden keine gemacht, man ging lieber demonstrieren und „Haut die Serben in Scherben!“ schreien. Die Hurrastimmung verflog bald, als die ersten Verlustlisten kamen und „Lemberg noch in unserem Besitz“ blieb. Man spürte das Grauen des Krieges. Die Menschen brauchten Ablenkung und gingen wieder ins Kino. Durch die Kriegsjournale, die von Sascha Kolowrat, Philipp & Preßburger und der Österreichischen Kinoindustrie hergestellt wurden, kam eine Interessengemeinschaft zustande, die sich später durch die Gründung der Sascha Messter fortsetzte. Inzwischen begannen auch Kolm und Fleck unter der Firma Wiener Kunstfilmgesellschaft zu produzieren. Joe May drehte mit Mia May und Heinrich Eisenbach bei Philipp & Preßburger den Film „Charlie der Wunderaffe“.

Im Jahr 1917 wurden die Firmen Sascha – Sascha Messter und Philipp & Preßburger zusammen geschlossen und die Sascha Filmindustrie Aktiengesellschaft gegründet. Harry Walden wurde für den Film entdeckt.

Den Kinobesitzern ging es ausgezeichnet, den Verleihern und Fabrikanten ging es gut. Und dann wurde der Krieg immer schlimmer und die Kino machten immer bessere Geschäfte. Nur wusste man am Morgen niemals, ob man nicht am Mittag frontdiensttauglich oder in einer Marschkompagnie war.

Nach vier der qualvollsten Jahre für die Menschheit war der Krieg aus. Neue Menschen kamen. Neue Firmen, neue Kinobesitzer. Somlo war nach Berlin gegangen. Der „Bund spaltete sich, Arthur Stern hatte einen neuen Verband gegründet. Die Kinobesitzer machten noch immer gute, - die Verleiher schlechte Geschäfte. Liane Haid, Maria Corda, Lucy Doraine, Michael Varkony, Alphons Fryland, Alexander Corda und Michael Kertesz begannen von Wien aus ihren Aufstieg.

Inflation, Deflation, die Kinos waren weiter gut, sehr gut besucht. Den Verleihern und Fabrikanten wurde das Leben nur schwerer gemacht. Das Kontingent kam und brachte wieder eine neue Führung des Bundes – und eine neue Spaltung. Immer schlechter wurden die Verhältnisse. Angesehene Firmen „wackelten“, den Kinobesitzern ging es noch immer gut, aber die Industrie konnte sich wenigstens noch behaupten. Auf einmal „wer tommelt denn da“ mit 28 % Lustbarkeitssteuer in der einen und in der anderen Hand ein Riesenbukett raffiniert ausgeklügelter Steuern? Unser lieber herzensguter, goldener Breitner – und aus wars mit den Kinobesitzern.Langsam aber sicher werden auch diese zu Grunde gerichtet. Das Fundament wackelt, zeigt gefährliche Risse! Trostlos sieht die Zukunft aus. Und in dieser furchtbaren Zeit begeht der Bund der Kinoindustriellen, in Österreich, durch die Not wieder geeint, sein zwanzigjähriges Jubiläum.

Die Juden, die jahrhundertelang geknechtet waren, haben einen Segenspruch: „Es sollen bessere Zeiten kommen“. Es sollen bessere Zeiten kommen, damit es den Kinobesitzern sehr gut und auch den Verleihern und Fabrikanten sehr gut oder wenigstens gut gehen soll!

QUELLE: Das Kino Journal, 23. März 1929; S 8, Bilder aus der Österr. Film Zeitung entnommen. ANNO Österreichische Nationalbibliothek

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp