DAS PARLAMENTSHAUS#

Wien
Parlamentshaus, gemeinfrei

1861: Es ist also entschieden – hinter Brettermauern werden die Abgeordneten des Volkes zu dem ersten österreichischen Reichsrat tagen.

Wien, die dritte Weltstadt, hat wie man sieht kein richtiges Lokal ausfindig machen können, welches den Volksvertretern ein würdiges gastliches Dach geboten hätte – das einzig passende, das Sitzungslokal des ersten Reichsrates, die Reitschule, scheint bis 25 wirklich hemmende Bedenken rege gemacht zu haben – und in aller Eile, bis längstens bis 25. April, soll denn ein Notbau zusammen gezimmert werden damit das „Haus der Abgeordneten“ nicht genötigt sei, wie weiland unsere germanischen Urväter unter ihren Eichen, in dem Schatten der wenigen Kastanienbäume, so dem Glacis noch verblieben sind, tagen. Vor dem Schottentor, dort, wo alljährlich zweimal die kleinen Buden des Jahrmarktes sich reihenweise auftun, dort soll die große - Versammlung über die Geschicke des Landes zu Rate sitzen. - Wir können den Gedanken keinen sehr glücklichen nennen; nun er aber einmal zur „vollendeten Tatsache“ geworden, hoffen wir, dass aus dem Neubau wenigstens für die Öffentlichkeit Nutzen erwachsen, dass der Raum, der dem Publikum zur Disposition gestellt wird, ein möglichst großer sein werde. Und wenns dem Journalisten gestattet ist, auch ein klein wenig an sich selbst zu denken, so möchten wir uns das bescheidene Ansuchen erlauben, es möge nicht gerade bei Konstruierung der Journalistenloge die Erinnerung an die Reitschule maßgebend sein.

Das gestrige Abendblatt der Wiener Zeitung berichtet über den provisorischen Bau: Heute haben die Arbeiten für das neue Sitzungsgebäude des Hauses der Abgeordneten begonnen. Da sich im Innern der Stadt Wien kein hinlänglich geräumiger Saal gefunden hat, in welchem die Abgeordneten des Reiches öffentliche Sitzungen hätten abhalten können, so musste, trotz der verhältnismäßig kurzen Frist, die bis zur Eröffnung der Reichsvertretung erübrigt, zu einem Neubau geschritten werden. Derselbe wird auf dem Glacis vor dem Schottentor, und zwar rechts von der Hauptstraße so aufgeführt werden, dass die Hauptfront der Straße zugekehrt sein wird. Um den Hauptsaal möglichst ferne von den Störungen des Straßenverkehrs zu legen, wird der Bau 18 Klafter von der Straße entfernt in der Mitte eines Dreieckes am Glacis Grund aufgeführt werden, Das Gebäude hat eine Länge von 51 Klafter, seine größte Tiefe ist 25 Klafter. Aus der Eintrittshalle für die Herren Abgeordneten kommt man in einen Korridor, der durch die ganze Länge des Gebäudes durchgeht und von dem sich Türen in die Arbeitszimmer der Minister und Präsidenten, den Konversationssaal, die Zimmer für die Ordner des Reichsrates und dem Haupt-Entrée gegenüber in den Vorsaal un die Garderobe öffnen, Der Sitzungssaal selbst ist 16 Klafter lang, 9 Klafter breit, amphitheatralisch gebaut, mit Galerien versehen und besonderen Lokalitäten für die Stenographen und einer Kredenz. Auf den Galerien befindet sich gegenüber dem Präsidentensitz die Loge für den allerhöchsten Hof mit einem Vorsaal und einer eigenen Zufahrt und Treppe, die Loge für das diplomatische Korps und Gäste, für die Journalisten und das Publikum. Die Räume sind mit allem Komfort angelegt und so geordnet, dass keinerlei Störungen vorkommen können. Der Saal wird sehr gut beleuchtet sein und alle Räume nötigenfalls geheizt werden können.

Obwohl das Gebäude nur auf den Charakter eines provisorischen Notbaues Anspruch machen kann, so wird es doch möglichst solid aufgeführt und in der Ornamentik und Einrichtung Einfachheit und Eleganz und Solidität angestrebt werden. Die Ausführung ist in die Hände unserer berühmtesten Bauhandwerker gegeben, welche den Bau in einer unglaublich kurzen Zeit, bis zum 25. April nämlich, so vollendet haben werden, dass er dem Gebrauch wird übergeben werden können.

Wie wir vernehmen, ist mit der Leitung des Baues Herrn Architekt Bauernfeld betraut, derselbe, welcher auch den Bau des Rudolfs Spitales leitet

Das neue Parlamentshaus ist dem Äußeren nach vollendet,, nun geht es an dir Einrichtung der inneren Räume desselben. Durch die fabelhafte Schnelligkeit, mit der in dem Zeitraum von sechs Wochen der Bau entstanden, ist unser Parlamentspalast wohl kein Prachtbau mit reichen Kolonnaden, imposanten Hallen. luxuriösen Marmorgetäfel, aber es ist ein solides, festes Gebäude das durch „vereinte Kraft“ entstanden. Die größte Zierde der Monarchie wird dieses Gebäude sein, wenn es den Männern, die in demselben tagen werden, gelingt, Österreich nach Innen und Außen zu neuen Glanz, neuen Ruhm und neuen Ehren verhelfen.

Die Herstellung, das heißt die innere Vollendung des Gebäudes, wurde nur dadurch ermöglicht, dass der bekannte Bautischler Herr Markert mit derselben betraut wurde. Dessen Fabrik ist mit 16 Dampfmaschinen und 80 Arbeitern versehen, die seit vier Wochen Tag und Nacht in vollster Tätigkeit sind, um für das Parlamentshaus die sämtlichen Fensterstöcke, Türen, Böden, Parketten und den Parlamentssaal herzustellen. Diesem Industriellen ist es gelungen, das schwierige Problem, an dem auf gewöhnlichem Weg mehrere hundert Arbeiter monatelang zu arbeiten hätten, in dieser fabelhaft kurzen Zeit zu lösen. Schon nächsten Donnerstag wird Herr Markert mit der inneren Einrichtung fertig und das Parlamentshaus für die Sitzungen geeignet sein.

QUELLEN: Morgen Post, 12. März 1861, S 2, Der Zwischenakt , 21. April 1861, S 2, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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