Vorname#

Vorname

Nach altem Glauben ist der Name eines Menschen mehr als eine Bezeichnung, er ist untrennbar mit seinem Wesen verknüpft. "Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß‘", liest man im Märchen. Als die Königin das Männlein beim Namen nennt, gewinnt sie Macht über den Zauber. Alte Namen waren Wunschnamen wie Gertrud (gute Speerwerferin) oder Arbogast (übt Gastfreundschaft). Sie sollten Schönheit, Reichtum oder Tapferkeit auf den Träger herabrufen. In der christlichen Religion erfolgt die feierliche Namensgebung beim Sakrament der Taufe. Ordensangehörige erhalten zum Zeichen ihres neuen Lebens einen Namen zugeteilt, Päpste wählen ihre Namen selbst. 

Das europäische System der Namengebung war durch Benennung nach Vorbildgestalten innerhalb und außerhalb der Familie charakterisiert. Die ersten christlichen Jahrhunderte brachten Namen aus dem Alten Testament. Mit der Förderung der Heiligenverehrung durch die Orden im Mittelalter taufte man nach heiligen oder neutestamentlichen Personen und stellte das Kind unter den Schutz des Namenspatrons. Bis zur Gegenreformation nahm die katholische Kirche keinen wesentlichen Einfluss auf die Taufnamen. Hingegen griffen Tridentinum, Katechismus und Rituale Romanum im 16. und 17. Jahrhundert erfolgreich auf die Vorstellung der Wunschnamen zurück. Viele Pfarrer empfahlen den Namen des Kalenderheiligen am Geburtstag als Taufname. Es war Brauch, nicht "zurückzutaufen" (Geburtstag nach dem Namenstag), um dem Kind nicht zu schaden. Auch Ahnen und Paten übten Einfluss auf die Eltern aus. Sie können ihren Kindern beliebig viele Vornamen geben, sodass die Patennamen dann oft an zweiter oder dritter Stelle stehen. 

Die Reformatoren, welche die Heiligenverehrung ablehnten, wählten Namen aus dem Alten Testament oder erfanden neue wie Fürchtegott oder Leberecht. Ein wichtiges Vorbild waren außerdem Herrscherhäuser und Landespatrone (z.B. Leopold). Unter dem Einfluss französischer und italienischer Opern und ausländischer Literatur wurden die Vornamen seit der Barockzeit international (Henriette, Jean, Eduard…) Die Romantik brachte eine Wiederentdeckung der germanischen Namen mit sich.

Früher übliche Verkleinerungs- und Kurzformen sind nicht mehr gebräuchlich, wie Mirzl, Mizzi - Maria, Liesl - Elisabeth, Wastl - Sebastian, Hias - Matthias. Wegen der Wertschätzung der Namenspatrone feierte man im katholischen Österreich die Namenstage. Die Tage bekannter Namenspatrone galten als Bauernfeiertage, in Oberösterreich besuchten die Namensträger kollektiv den Gottesdienst und die Gaststätte. In Niederösterreich treffen sich die "Seppen" beim Josefifest. In Wien waren die Annenfeste glanzvolle Ereignisse. Die Papierhändler boten jedes Jahr neue Geschenke wie Glückwunschkarten oder Fächer an. Namenstagsbriefe erfreuten sich bei den Bürgern des Biedermeier großer Beliebtheit.

Seit 1984 publiziert die Statistik Austria publizierte die jährlichen Zahlen zu den häufigsten Vornamen. 2021 führt Bei den Mädchennamen führt Marie vor Emilia und Anna, bei den Bubennamen liegt Paul vor Jakob und Maximilian. In diesem Jahr wurden in Österreicch 86.000 Kinder geboren, 41.841 sind Mädchen. Von ihnen erhielten 1,9 % (795 Kinder) den Namen Marie. Von den 44.237 Buben heißen 810 (1,8 %) Paul. Im Jahr 1901 präsentierte der Literaturhistoriker Robert Franz Arnold in seinem Werk „Die deutschen Vornamen“ unter anderem die Ergebnisse einer Untersuchung. In mehreren Volksschulen der westlichen Bezirke Wiens erfasste er die Vornamen von 700 Mädchen und 700 Buben und kam dabei zu den beliebtesten Vornamen: Marie vor Anna und Rosalia,Karl vor Josef und Franz.Während der häufigste Mädchenname somit vor 120 Jahren der gleiche war wie heute, liegt der früher beliebteste Bubenname Karl im Jahr 2021 nur an 162. Stelle.

Bei der Vornamenstatistik des Jahres 2020 für Wien erhob die MA 23 erstmals die Taufnamen aller hier lebenden Personen. Dabei führten bei den Männern Michael, Alexander, Christian, Peter und Thomas. Bei den Frauen Maria, Anna, Elisabeth, Eva und Christine. Bei den WienerInnen über 16 Jahre konnte die Tradition beobachtet werden, Neugeborene nach dem Tagesheiligen zu taufen, bei jüngeren trifft dies nicht mehr zu. Demnach kam der Name Stephan am 26. Dezember an häufigsten vor, Christian am Christtag (25. Dezember), Martin am 11. November, Franz am 4. Oktober, Peter am am 29. Juni und Wolfgang am 31. Oktober. Analog verhält es sich bei den Frauennamen: Zu Weihnachten liegt Christine vorne, am Stephanitag Stephanie, oder an den Marienfeiertagen 15. August und 8. Dezember Maria. In Wien kommen alljährlich rund 20.000 Kinder zur Welt. Sie erhalten rund 5.000 verschiedene Vornamen, wobei die Hälfte der Neugeborenen einen der 200 häufigsten bekommt.


Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 590, 866, 920
Rudolf Fochler - Anneliese Ratzenböck: Lebensbräuche. Linz 1991
Michael Mitterauer: Namen und Heilige. München 1993
Wien in Zahlen
Robert Franz Arnold: „Die deutschen Vornamen“. Wien, 1901. Digitalisat Münchener Digitalisierungszentrum, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11023139?page=,1

Bild: Namenstagsbrief (Kopf), Wien 19. Jahrhundert


Siehe auch:
--> Rezension Traditionen der Namengebung